Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts HundeRunde tauchen die Moderatorinnen Liza Gerlach und Mareike Klohr tief in das komplexe Thema Angst bei Hunden ein. Sie beleuchten die feinen Unterschiede zwischen Angst und Furcht, erklären die biologischen Prozesse dahinter und geben wertvolle, praxisnahe Tipps, wie du deinem Hund in unsicheren Situationen helfen kannst. Die Folge richtet sich an alle Hundebesitzer, die das Verhalten ihres Vierbeiners besser verstehen und ihm zu mehr Sicherheit und Gelassenheit verhelfen wollen. Im Zentrum steht die Frage: Wie können wir die Welt aus der Perspektive eines ängstlichen Hundes sehen und ihm ein verlässlicher Partner sein?
Persönliche Einblicke: Zwischen Reha und Pfotenpflege
Zu Beginn der Folge geben die Moderatorinnen persönliche Updates. Liza berichtet von den Fortschritten, die sie in ihrer Reha macht. Auch wenn es kleine Schritte sind - wie das erste Mal wieder für vier Sekunden auf einem Bein zu stehen oder rückwärts zu laufen -, ist sie motiviert und blickt optimistisch auf ihre baldige Rückkehr nach Hause vor Weihnachten. Mareike erzählt unterdessen von einer Verletzung ihrer Hündin Taylor, die sich im Garten die Pfote aufgerissen hat und nun einen Schuh tragen muss. Für die aktive Hündin bedeutet das vor allem: kein Ballspielen und nur kurze Spaziergänge - eine echte Geduldsprobe für sie.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Unterscheide zwischen Furcht und Angst: Furcht ist die Reaktion auf einen konkreten Auslöser (z. B. ein lauter Lkw), während Angst ein andauernder, generalisierter Zustand der Anspannung ohne spezifischen Reiz ist.
- Beobachte die Körpersprache genau: Angelegte Ohren, eingezogene Rute, Hecheln, Zittern, sich klein machen oder gar Erstarren (Freeze) sind deutliche Anzeichen für Stress und Unsicherheit.
- Angriff kann eine Form von Angst sein: Ein Hund, der sich in die Ecke gedrängt fühlt und nicht fliehen kann (Flight), kann aus reiner Verteidigung nach vorne gehen (Fight).
- Sei der sichere Hafen für deinen Hund: In beängstigenden Situationen, etwa bei der Begegnung mit fremden Menschen, solltest du dich schützend zwischen deinen Hund und den Auslöser stellen. Deine ruhige und souveräne Haltung gibt ihm Sicherheit.
- Gib deinem Hund Zeit und Raum: Zwinge deinen Hund niemals in eine Situation, die ihm Angst macht. Lass ihn selbst entscheiden, ob und wann er sich einem unheimlichen Objekt nähern möchte.
- Setze realistische Ziele: Jeder Hund ist individuell. Vergleiche deinen Hund nicht mit anderen und feiere auch kleine Fortschritte. Das Ziel ist nicht Perfektion, sondern eine Verbesserung der Lebensqualität für deinen Hund.
- Bei starker Angst professionelle Hilfe suchen: Insbesondere bei extremen Reaktionen, wie sie an Silvester auftreten können, ist eine Absprache mit dem Tierarzt über beruhigende Medikamente eine verantwortungsvolle Option. Auf Hausmittel wie Eierlikör muss unbedingt verzichtet werden.
Furcht vs. Angst: Eine wichtige Unterscheidung
Liza eröffnet die fachliche Diskussion mit einer grundlegenden Differenzierung, die für das Verständnis und das Training entscheidend ist. Sie erklärt, dass Furcht immer an einen bestimmten Reiz oder eine konkrete Situation gebunden ist. Ein Hund hat beispielsweise Furcht vor dem lauten Geräusch eines Traktors. Angst hingegen beschreibt einen generalisierten Gemütszustand, einen ständigen Begleiter, der ohne einen direkten Auslöser präsent ist. Ein Hund mit generalisierter Angst ist also dauerhaft in einem Zustand erhöhter Anspannung. Neurologisch betrachtet spielt dabei der Hypothalamus eine zentrale Rolle, der in Stresssituationen vermehrt das Hormon Cortisol ausschüttet. Dies führt zu den typischen körperlichen und verhaltensmäßigen Stressreaktionen.
Körpersprache und Reaktionen: So zeigt ein Hund seine Angst
Um die Emotionen deines Hundes richtig deuten zu können, ist es wichtig, seine Körpersprache zu lesen. Liza zählt eine Reihe von typischen Stressanzeichen auf: Hecheln, Schütteln, Lecken, Kratzen und eine zurückgezogene Körperhaltung mit angelegten Ohren und eingezogener Rute. In extremen Fällen kann es auch zu Jaulen, Bellen, Winseln, unkontrolliertem Kot- oder Urinabsatz und sogar Erbrechen kommen. Ein weiteres wichtiges Verhaltensmuster ist das sogenannte „Einfrieren“ (Freeze), bei dem der Hund wie versteinert stehen bleibt und nicht mehr ansprechbar ist.
Liza erläutert die vier grundlegenden Verhaltensstrategien von Hunden in Stresssituationen, die sogenannten „vier Fs“:
- Flight (Flucht): Der Hund versucht, der Situation zu entkommen.
- Freeze (Erstarren): Der Hund verharrt bewegungslos.
- Fiddle about (Herumkaspern): Der Hund zeigt Übersprungsverhalten, um die Anspannung abzubauen.
- Fight (Kampf): Der Hund geht in die Offensive.
Sie betont, dass ein Hund, dessen Fluchtversuch scheitert, weil er beispielsweise in die Ecke gedrängt wird, als letzte Option in den Angriffsmodus wechseln kann. Dieses Verhalten ist keine Bosheit, sondern ein Akt der reinen Verteidigung aus einer als ausweglos empfundenen Situation heraus.
Häufige Auslöser: Von Silvesterknallern bis zu fremden Menschen
Die Auslöser für Furcht und Angst können vielfältig sein. Zu den bekanntesten gehören laute Geräusche wie Silvesterfeuerwerk, Gewitter oder laute Fahrzeuge. Mareike schildert hierzu passend, wie ihre Hündin Taylor große Furcht vor einem lauten Traktor zeigte. Weitere häufige Angstauslöser sind das Alleinbleiben (Trennungsangst), die Begegnung mit fremden Hunden oder Menschen sowie bestimmte Gegenstände wie Staubsauger, Regenschirme oder Mülltonnen. Liza warnt in diesem Zusammenhang davor, einen Hund mit seiner Angst zu „ärgern“, indem man ihn beispielsweise spielerisch mit dem Staubsauger verfolgt. Dies könne die Furcht verstärken und zu einem ernsthaften Problem werden.
Umgang mit Angst vor Menschen und Objekten
Besonders die Angst vor fremden Menschen stellt für viele Halter eine Herausforderung dar. Liza erklärt, dass Hunde oft auf große, dunkel gekleidete Männer oder Personen reagieren, deren Erscheinungsbild durch Helme oder weite Kleidung verfremdet wird. Ein direkter, starrer Blick kann die Unsicherheit zusätzlich verstärken. Der Schlüssel im Training liegt darin, dem Hund Sicherheit zu vermitteln. Das bedeutet, sich als Halter aktiv zwischen den Hund und den Auslöser zu stellen und als Puffer zu fungieren. Anstatt den Hund an vorderster Front die Situation klären zu lassen, gibst du ihm durch klare Signale und deine souveräne Präsenz die nötige Unterstützung. Wichtig ist, auch kleine Fortschritte zu loben und realistische Erwartungen zu haben. Es geht nicht darum, dass der Hund jeden Menschen freudig begrüßt, sondern dass er lernt, die Situation ruhig und ohne Panik zu bewältigen.
Praktische Schritte für den Alltag
- Situationen analysieren: Finde heraus, ob es ein wiederkehrendes Muster gibt. Wann genau zeigt dein Hund Angst? Notiere dir die Auslöser, um gezielt trainieren zu können.
- Sicherheit geben: Stelle dich in unsicheren Situationen körperlich zwischen deinen Hund und den Reiz. Deine ruhige Ausstrahlung signalisiert ihm: „Ich habe die Kontrolle und passe auf dich auf.“
- Fokus umlenken: Arbeite an der Orientierung zu dir. Sprich deinen Hund an und gib ihm eine klare, einfache Aufgabe, auf die er sich konzentrieren kann, z. B. „Sitz“ oder „Schau“.
- Abstand schaffen: Zwinge deinen Hund niemals zur Konfrontation. Vergrößere den Abstand zum Auslöser so weit, dass dein Hund die Situation noch aushalten kann, ohne in Panik zu geraten.
- Positive Verstärkung nutzen: Lobe jedes erwünschte Verhalten, auch die kleinsten Schritte in die richtige Richtung. Zeigt dein Hund nur ein kurzes Zögern anstelle von panischem Bellen? Das ist bereits ein Erfolg!
- Einen Rückzugsort etablieren: Schaffe zu Hause einen sicheren Ort (z. B. eine Box oder eine gemütliche Höhle), an den sich dein Hund zurückziehen kann, wenn er sich überfordert fühlt.
- Individuelle Ziele setzen: Jeder Hund lernt in seinem eigenen Tempo. Lass dich nicht von anderen verunsichern und konzentriere dich auf die Fortschritte deines eigenen Hund-Mensch-Teams.