Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts The Petfood Family spricht Moderator Jan Dießner mit Bernhard Meyerhover, einem wahren Pionier der Diensthundearbeit in Deutschland. Von 1997 bis 2023 war Bernhard Diensthundeführer bei der bayerischen Landespolizei und hat die Entwicklung der Personensuche mit Hunden entscheidend mitgeprägt. Er teilt faszinierende Einblicke in seine jahrzehntelange Erfahrung, von den Anfängen mit rauen Ausbildungsmethoden bis hin zur Etablierung des hochspezialisierten Mantrailings.
Die Episode beleuchtet die beeindruckenden Fähigkeiten von Spürhunden, die entscheidende Rolle des Vertrauens zwischen Mensch und Tier und den langen Weg, den es brauchte, um neue, wissenschaftlich fundierte Methoden gegen behördliche Skepsis durchzusetzen. Sie ist eine unverzichtbare Ressource für alle, die sich für professionelle Hundearbeit, die Psychologie des Trainings und die faszinierende Welt der Geruchswahrnehmung interessieren.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Vom Mythos zur Realität: Bernhard erlebte, wie Mantrailing - die Suche nach einer Person anhand ihres Individualgeruchs - von der deutschen Polizei anfangs als „Fernsehmärchen“ abgetan und erst durch einen erfolgreichen Realeinsatz als legitimes Werkzeug anerkannt wurde.
- Motivation schlägt Zwang: Obwohl er in einer Zeit begann, in der Hundetraining oft hart war, erkannte Bernhard früh, dass positive Motivation und die Freude des Hundes am Spiel der Schlüssel zu herausragenden Leistungen sind.
- Der Mensch ist der entscheidende Faktor: Der größte Fehler im Training ist der Druck, den der Mensch auf den Hund ausübt. Ein erfolgreicher Hundeführer ist kein Befehlshaber, sondern ein unterstützender Teampartner, der die Körpersprache seines Hundes lesen und interpretieren kann.
- Erfahrung ist unersetzlich: Die Entwicklung eines zuverlässigen Personensuchhundes dauert Jahre. Erst durch unzählige Einsätze - erfolgreiche wie gescheiterte - lernen Hund und Führer, als echtes Team zu agieren und komplexe Situationen zu meistern.
- Lebenslanges Lernen: Bernhard blieb stets offen für neue Impulse und lernte von zivilen Experten wie Dr. Tom Middlemas, um Konzepte wie die Geruchsdifferenzierung in die Polizeiarbeit zu integrieren und die Methoden kontinuierlich zu verbessern.
- Geruchsdifferenzierung als Schlüssel: Anstatt Hunde auf wenige Gerüche zu konditionieren, liegt die hohe Kunst darin, ihnen beizubringen, einen frisch präsentierten Referenzgeruch im Kurzzeitgedächtnis zu behalten und gezielt danach zu suchen.
- Vertrauen ist die Basis für alles: Am Ende eines jeden erfolgreichen Einsatzes steht das uneingeschränkte Vertrauen des Menschen in die Nase seines Hundes, selbst wenn die Situation unlogisch erscheint.
Vom Kindheitstraum zum Diensthundeführer: Die Anfänge
Bernhards Weg zur Hundearbeit begann mit dem Poster eines Deutschen Schäferhundes in seinem Kinderzimmer. Die Möglichkeit, bei der Polizei Diensthundeführer zu werden, war seine „Initialzündung“, sich für diesen Beruf zu entscheiden. 1997 trat er seinen Dienst bei der Diensthundegruppe in Regensburg an - zunächst jedoch ohne Hund. Die ersten vier Wochen verbrachte er damit, seinen Chef mit unzähligen Fragen zur Hundehaltung und Ausbildung zu löchern.
Sein erster Diensthund war ein einjähriger, völlig „roher“ Schäferhund, der einen Großteil seines Lebens im Zwinger verbracht hatte und nicht einmal Treppen steigen konnte. Mit Geduld und Wiener Würstchen brachte Bernhard ihm die ersten Grundlagen bei. Diese frühe Erfahrung prägte ihn: Er erkannte, dass Training über Motivation und eine positive Beziehung funktioniert. Obwohl die damaligen Ausbildungsmethoden oft noch von Zwang und Härte geprägt waren, hinterfragte er diese Ansätze und suchte nach Alternativen. „Ich habe mich dann auch gewehrt dagegen" erinnert er sich an eine Situation, in der er eine Methode ablehnte, die dem Hund nur Schmerz zufügte. Er bewies, dass es auch über Spaß und Motivation ging - es dauerte nur länger.
Die Revolution im Polizeidienst: Die Anfänge des Mantrailings
Ein entscheidender Wendepunkt in Bernhards Karriere ereignete sich im Januar 2003. Bis dahin galt bei der Polizei die Lehrmeinung, dass Hunde nur Fährten auf „grünem Untergrund“ verfolgen könnten. Die Idee, dass ein Hund wie in der Fernsehserie Lassie eine Person anhand eines Geruchsartikels aufspüren kann, wurde als Fiktion abgetan. Doch dann wurde er beauftragt, eine Rettungshundeführerin des Deutschen Roten Kreuzes bei einem Einsatz zu betreuen. Sie war eine „Mantrailerin“.
Mit großer Skepsis („Was soll denn der Scheiß, das funktioniert ja gar nicht“) beobachtete er, wie die Hündin nach dem Riechen an der Mütze eines Täters eine kilometerlange Spur über Wiesen, Straßen und Kreuzungen verfolgte. Obwohl der Täter nicht direkt gefunden wurde, führte die vom Hund ausgearbeitete Strecke am nächsten Tag zum Fund der Tatwaffe. Dieses Erlebnis erschütterte seine bisherigen Überzeugungen und entfachte eine Leidenschaft, die ihn nicht mehr losließ. Er begann, Seminare zu besuchen, alles über Individualgeruch zu lernen und privat mit seinem Hund zu experimentieren.
Aufbau einer Spezialdisziplin: Widerstände und Wegbereiter
Bernhards Berichte und seine Hartnäckigkeit führten dazu, dass das bayerische Innenministerium ein Pilotprojekt zum Thema Mantrailing startete. Er wurde einer der ersten vier Hundeführer, die für diese neue Disziplin ausgebildet wurden. Doch der Weg war steinig. Nach Projektende im Jahr 2007 stand er plötzlich allein da und durfte nur durch die Kooperation mit zivilen Rettungshundestaffeln, wie den „Maintrailern Starnberg“ um Alexandra Grunow, weiter trainieren.
Er betont die entscheidende Rolle eines Vorgesetzten, der fest an das Potenzial der Personensuchhunde glaubte und das Projekt intern gegen alle Widerstände verteidigte. „Ohne den wäre Maintrailing hier im Raum Regensburg nie entstanden“, so Bernhard. Erst 2009 wurde die Methode unter dem Namen „Personensuchhunde“ (PSH) offiziell in die bayerische Polizei integriert. Die neu gegründeten Teams mussten jedoch erst ihre „Ohrfeigen“ in echten Einsätzen kassieren. Bernhard erklärt, dass die Teams anfangs oft versagten, aber durch den Rückhalt ihrer Vorgesetzten und die wachsende Erfahrung schließlich zu einer hocheffektiven Einheit wurden.
Die Essenz der Nasenarbeit: Vertrauen und die Rolle des Menschen
Im Zentrum von Bernhards Philosophie steht das Teamwork. Er widerspricht vehement der Aussage: „Das muss mein Hund selber lösen.“ Für ihn ist das der „absolute Schwachsinn“. Seine Aufgabe als Hundeführer sei es, den Hund zu unterstützen, seine Körpersprache zu lesen und ihm in schwierigen Situationen zu helfen. Der Druck, unbedingt finden zu müssen, sei der größte Feind des Erfolgs. „Die Scheiße liegt doch meistens hinten dran“, sagt er und meint damit den Hundeführer, der durch Stress oder Fehlinterpretationen den Hund behindert.
Ein Schlüsselaspekt seiner Arbeit ist die Geruchsdifferenzierung. Anders als bei der Suche nach Drogen oder Sprengstoff, wo der Hund auf einen bestimmten Geruch konditioniert ist, lernt der Hund beim Trailen, einen ihm kurz zuvor präsentierten Referenzgeruch im Kurzzeitgedächtnis zu behalten und dessen Spur zu folgen. Bernhard erklärt, dass seine Hunde keine spezifischen Gerüche erlernen - mit Ausnahme von Bargeld, das er spielerisch auf das Kommando „Money Money“ trainiert hat.
Von der Praxis zur Meisterschaft: Einfluss und Weiterentwicklung
Ein weiterer prägender Moment war die Begegnung mit Dr. Tom Middlemas, einem Biologen und international anerkannten Experten für Rettungshundearbeit, im Jahr 2011. Middlemas brachte einen wissenschaftlicheren Ansatz in die Arbeit und machte die Hundeführer auf subtile Faktoren wie Windeinflüsse (den „Umbrella-Effekt“) aufmerksam. Durch ihn vertiefte Bernhard sein Wissen in der Geruchsdifferenzierung und lernte Techniken wie „Hunting for Trail“, bei der der Hund gezielt einen Bereich absucht, um festzustellen, ob die Zielperson überhaupt dort war.
Bernhard beschreibt, wie er diese Methoden nicht nur übernahm, sondern auch weiterentwickelte und an seine Hunde anpasste. Diese ständige Neugier und die Bereitschaft, zu scheitern und daraus zu lernen, machen für ihn die Faszination seiner Arbeit aus. Er schließt mit Anekdoten über spektakuläre Funde - von vermissten Kindern bis zu einem Ehepaar, das sich in den Innauen verlaufen hatte - und betont stolz, wie seine Nachfolger bei der Polizei diese wichtige Arbeit heute mit großem Erfolg fortführen.
Praktische Lehren für die Hundearbeit
- Vertraue deinem Hund: Der Hund leistet die Nasenarbeit. Deine Aufgabe ist es, ihn zu lesen, zu verstehen und zu unterstützen, nicht, ihn zu dominieren.
- Werde zum Beobachter: Lerne, die Körpersprache deines Hundes bis ins kleinste Detail zu deuten. Kopfhaltung, Rute und Tempo sind entscheidende Signale, die dir zeigen, ob er sicher ist oder Unterstützung benötigt.
- Kontrolliere deinen eigenen Stress: Dein Druck überträgt sich direkt auf den Hund. Gehe in jedes Training mit der Haltung „Wir versuchen unser Bestes“ statt „Wir müssen erfolgreich sein“.
- Sei offen für Neues: Etablierte Meinungen sind nicht immer die richtigen. Hinterfrage Methoden, lerne von anderen und sei bereit, deine eigenen Ansätze zu ändern.
- Akzeptiere Rückschläge als Lernchance: Misserfolge sind unvermeidlich. Analysiere, was du als Mensch falsch gemacht hast, aber hake es danach ab und blicke nach vorn.