Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts Hundsfa(e)lle erörtern die Hosts Yvonne Nawrat und Mustafa Irmak eines der wichtigsten Signale im Hundetraining: das Stoppsignal. Sie erklären, warum dieses Kommando in vielen Situationen sicherer als der Rückruf ist und als eine Art Lebensversicherung für den Hund dienen kann.
Die Episode richtet sich an alle Hundebesitzer:innen, insbesondere an jene mit impulsiven, jagdlich motivierten oder reaktiven Hunden. Die zentrale Frage ist, wie man ein absolut zuverlässiges Stoppsignal aufbaut, das selbst unter höchster Ablenkung funktioniert und den Hund vor Gefahren wie Straßenverkehr, Wildtieren oder unkontrollierten Begegnungen schützt.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Lebensversicherung statt Rückruf: In Gefahrensituationen (z. B. herannahender Verkehr, Wild) ist ein sofortiges Anhalten (Stopp) sicherer als ein Rückruf, da der Hund beim Zurücklaufen in die Gefahr geraten könnte.
- Klarheit und Ernsthaftigkeit: Der Erfolg des Signals hängt von einem kurzen, prägnanten Wort (z. B. „Stopp“) und einer ernsten, unmissverständlichen Körpersprache ab. Deine innere Haltung und Entschlossenheit sind entscheidend.
- Systematischer Aufbau: Das Training beginnt positiv und ohne Ablenkung, steigert dann schrittweise die Distanz und die Reizintensität. Es muss erst im Nahbereich und ohne Ablenkung funktionieren, bevor es in ernsten Situationen klappt.
- Korrekt belohnen: Gehe immer zu deinem Hund hin, um ihn an der Stelle zu belohnen, an der er angehalten hat. Rufe ihn nach einem erfolgreichen Stopp niemals zu dir, um die Belohnung zu geben, da du sonst den Rückruf belohnst, nicht das Stehenbleiben.
- Hilfsmittel gezielt einsetzen: Eine Schleppleine am Brustgeschirr ist ein wichtiges Werkzeug, um das Signal sicher zu trainieren und in schwierigen Momenten durchsetzen zu können, ohne die Kontrolle zu verlieren.
- An den Hundetyp anpassen: Das Training muss auf den Charakter des Hundes abgestimmt werden - spielerisch für einen leicht ablenkbaren Hund wie Erna und mit mehr Ernsthaftigkeit und Fokus auf Abbruch für einen Jäger wie Rudi.
- Regelmäßiges Training: Ein einmal aufgebautes Stoppsignal muss regelmäßig aufgefrischt werden, um im Ernstfall zuverlässig abrufbar zu bleiben.
Warum das Stoppsignal eine Lebensversicherung ist
Yvonne und Mustafa betonen, dass das Stoppsignal zu den wichtigsten Kommandos überhaupt gehört. Mustafa schildert einen tragischen Vorfall aus seiner Hundeschulzeit: Ein Hund wurde von seinem Frauchen gerufen, kreuzte dabei den Weg eines Fahrradfahrers und rannte direkt in die Speichen. Der Unfall endete tödlich. Ein Stoppsignal hätte den Hund an Ort und Stelle eingefroren und die Katastrophe verhindert.
Yvonne ergänzt, dass der Rückruf in Gefahrensituationen oft kontraproduktiv ist. Sie selbst erlebte, wie ihr Hund mitten auf der Straße stand. Hätte sie ihn gerufen, wäre er direkt in ein Auto gelaufen. Dank des Stoppsignals setzte er sich hin, und sie konnte ihn sicher abholen. Das Ziel des Kommandos ist es, den Hund sofort in seiner Bewegung einzufrieren („Frier ein und bewege dich nicht weiter“), egal was um ihn herum passiert.
Anwendungsbereiche sind vielfältig:
- Straßenverkehr: Verhindert, dass der Hund auf die Straße läuft.
- Jagdverhalten: Dient als Abbruchsignal, wenn der Hund einem Reh oder Hasen nachjagen will. Yvonne erklärt, dass sie im Jagdkontrolltraining eher mit einem Stopp als mit einem Rückruf arbeitet.
- Impulsive Handlungen: Stoppt einen Hund, der unkontrolliert zu anderen Hunden oder ins Wasser rennen will, was bei starker Strömung ebenfalls gefährlich sein kann.
Der schrittweise Aufbau des Stoppsignals
Mustafa skizziert einen klaren Trainingsplan in fünf Schritten, um das Signal von Grund auf zu etablieren:
- Signalwahl: Wähle ein kurzes, klares Wort wie „Stopp“ oder „Halt“. Kombiniere es optional mit einem eindeutigen Sichtzeichen, zum Beispiel einer flach nach vorne gestreckten Hand.
- Positive Konditionierung: Beginne in einer ruhigen Umgebung ohne Ablenkung. Sage das Wort „Stopp“ und gib deinem Hund sofort eine hochwertige Belohnung. Nach einigen Wiederholungen kannst du das Handzeichen hinzufügen.
- Bewegung einführen: Lass deinen Hund langsam auf dich zulaufen. Gib auf kurze Distanz (1 - 3 Meter) das Stoppsignal. Sobald er anhält, belohnst du ihn. Erweitere die Distanz langsam.
- Generalisierung im Freilauf: Lass deinen Hund sich frei bewegen. Gib das Kommando. Wenn er nicht sofort reagiert, verdeutliche es mit deiner Körpersprache: Mache dich groß, spanne deine Muskulatur an und baue eine imaginäre „Mauer“ auf.
- Hohe Ablenkung: Übe das Signal unter steigender Ablenkung, zum Beispiel in der Nähe anderer Hunde oder während der Hund rennt. Hier wird der Einsatz einer Schleppleine zur Absicherung unerlässlich.
Wichtig sei, so Mustafa, die Trainingseinheiten kurz zu halten (3 - 5 Wiederholungen pro Spaziergang) und immer dann aufzuhören, wenn es am besten läuft, um den Hund nicht zu überfordern.
Anpassung an den Hundetyp: Die Fallbeispiele Erna und Rudi
Die Hosts verdeutlichen, dass das Training an den individuellen Hund angepasst werden muss.
Erna, die wasserliebende Labrador-Hündin:
Erna ist schnell reizüberflutet und liebt es, ins Wasser zu stürmen. Yvonne rät, bei ihr das Training im Wohnzimmer zu beginnen, um eine solide Grundlage ohne Ablenkung zu schaffen. Die Belohnung muss sich für Erna mehr lohnen als der Sprung ins Wasser. Das Stoppsignal kann auch als Teil einer Erlaubnis-Routine genutzt werden: Erna muss vor dem Wasser anhalten und darf erst auf ein Freigabesignal hin hinein. Dies schult die Impulskontrolle und etabliert klare Grenzen.
Rudi, der ernsthafte Jäger:
Bei einem jagdlich ambitionierten Hund wie Rudi ist das Training von Anfang an mit mehr Ernsthaftigkeit verbunden. Jagen ist hormonell gesteuert (Adrenalin, Dopamin), weshalb das Stoppsignal absolut bedingungslos funktionieren muss. Yvonne erklärt, dass sie hier viel schneller in den Bereich des „Durchsetzens“ übergeht. Das Stoppsignal wird mit einem Abbruchsignal kombiniert, um die Jagdhandlung sofort zu unterbrechen. Der Hund wird in die Statik gebracht und muss dort verharren, bis er abgeholt wird. Ein Rückruf wäre zu riskant, da die Bewegung den Jagdtrieb wieder auslösen könnte.
Häufige Fehler und wie du sie vermeidest
Yvonne und Mustafa weisen auf typische Fallstricke beim Training hin:
- Mangelnde Ernsthaftigkeit: Das Kommando wird zu freundlich, fragend oder lapidar ausgesprochen. Deine Stimme und deine Körpersprache müssen eine klare, unmissverständliche Absicht vermitteln - ohne wütend zu klingen, aber absolut bestimmt.
- Übermäßige Abhängigkeit von Futter: Der Hund soll das Kommando nicht nur für eine Belohnung ausführen. Im Ernstfall, wenn ein starker Reiz (z. B. ein Hase) lockt, ist Futter oft wertlos. Das Signal muss aus Zuverlässigkeit und Respekt befolgt werden.
- Unregelmäßiges Training: Das Signal wird nur im Notfall genutzt und verliert dadurch an Wirkung. Es muss, besonders in der Anfangsphase, täglich und später regelmäßig aufgefrischt werden, damit es im Gedächtnis des Hundes verankert bleibt.
Praktische Schritte zum zuverlässigen Stoppsignal
Basierend auf der Diskussion lässt sich folgende Checkliste für dein Training ableiten:
- Wähle ein klares Signal: Entscheide dich für ein kurzes Wort (z. B. „Stopp“) und ein Handzeichen.
- Beginne im Reizarmen: Konditioniere das Wort positiv mit hochwertigen Belohnungen in einer ruhigen Umgebung (z. B. Wohnzimmer).
- Integriere Bewegung: Übe das Stoppen aus der Bewegung heraus, zuerst auf kurze Distanz, während der Hund auf dich zukommt.
- Setze deine Körpersprache ein: Nutze eine aufrechte, angespannte Haltung, um deine Ernsthaftigkeit zu unterstreichen und dem Signal Nachdruck zu verleihen. Stelle dir vor, du baust eine Mauer oder stoppst ein Pferd.
- Sichere das Training ab: Verwende eine Schleppleine und ein Brustgeschirr, um das Kommando auch auf Distanz und unter Ablenkung durchsetzen zu können.
- Belohne am richtigen Ort: Gehe immer zu deinem Hund, um ihn an der Stelle zu belohnen, wo er stehen geblieben ist.
- Bleib konsequent: Übe regelmäßig und frische das Signal immer wieder auf, damit es auch im Alter deines Hundes noch zuverlässig funktioniert.