Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts Hundsf(a)elle sprechen die Moderatoren Yvonne Nawrat und Mustafa Irmak mit der Expertin Christel Löffler über ein Thema, das für eine harmonische Beziehung unerlässlich ist: die Persönlichkeitsanalyse von Mensch und Hund. Christel Löffler ist eine erfahrene Hundetrainerin, systemischer Coach und bildet selbst Trainer sowie Führungskräfte im Bereich der Charakteranalyse aus.
Im Mittelpunkt der Diskussion stehen die verschiedenen Charaktertypen, wie sie sich im Alltag zeigen und wie du als Hundehalter durch das Verständnis deiner eigenen Persönlichkeit und der deines Hundes das Training und Zusammenleben positiv gestalten kannst. Die zentrale Frage lautet: Wie können wir trotz unterschiedlicher Charaktere zu einem unschlagbaren Team zusammenwachsen und dabei die Individualität des anderen nicht nur akzeptieren, sondern auch wertzuschätzen?
Das Wichtigste auf einen Blick
- Erkenne dich und deinen Hund: Das Verständnis der eigenen Persönlichkeit und der deines Hundes ist die Basis für ein erfolgreiches Training und eine tiefe Bindung.
- Charakter formen, nicht brechen: Gutes Training zielt darauf ab, den Charakter eines Hundes zu erhalten und in positive Bahnen zu lenken, anstatt ihn zu unterdrücken.
- Die Ursache ist entscheidend: Um ein Verhalten wie Leinenpöbeln effektiv zu trainieren, musst du die zugrunde liegende Motivation verstehen (z. B. Frust vs. Aggression).
- Unterschiede als Chance: Gegensätzliche Charakterzüge zwischen Mensch und Hund müssen kein Hindernis sein. Sie bieten die Möglichkeit, voneinander zu lernen und gemeinsam zu wachsen.
- Klare Regeln schaffen Freiheit: Ein fester Rahmen aus verlässlichen Regeln und Grenzen gibt deinem Hund Sicherheit und ermöglicht ihm gleichzeitig mehr Freiheiten im Alltag.
- Genetik ist keine Ausrede: Rassebedingte Veranlagungen sind real, dürfen aber nicht als Entschuldigung dienen, auf Erziehung und Training zu verzichten.
- Selbstreflexion ist der Schlüssel: Als Mensch bist du ein entscheidender Teil des Systems. Deine Klarheit, Konsequenz und emotionale Verfassung beeinflussen direkt das Verhalten deines Hundes.
Die vier Charaktertypen bei Mensch und Hund
Christel Löffler stellt in Anlehnung an ihr Buch ein Modell mit vier grundlegenden Charaktertypen vor, das sowohl auf Menschen als auch auf Hunde anwendbar ist. Diese Typen helfen dabei, Tendenzen im Verhalten besser zu verstehen und einzuordnen:
- Der Teamplayer: Dieser Typ ist sehr empathisch, bemüht sich um Harmonie und will alles richtig machen. In Gruppen agiert er oft als „Klebstoff“, der für ein gutes Miteinander sorgt. Er kann anfangs zurückhaltend sein, braucht aber die soziale Verbindung.
- Der Extrovertierte: Er ist das „Partymäuschen“ - aktiv, offen, schnell begeistert und sucht den Kontakt zu anderen. Impulskontrolle und Frustrationstoleranz können für diesen Typ eine Herausforderung sein.
- Der Manager (Macher-Typ): Zielorientiert, entscheidungsfreudig und der Sache verpflichtet. Dieser Typ weiß, was er will, und übernimmt gerne die Führung. Im Training braucht er klare Ziele und schätzt Effizienz.
- Der Genaue (G-Typ): Strukturiert, überlegt und manchmal perfektionistisch. Dieser Typ braucht Zeit für Entscheidungen, schätzt Routinen und klare, schrittweise Anleitungen. Veränderungen können für ihn Stress bedeuten.
Christel betont, dass es auch Mischtypen gibt und keine Eigenschaft per se „gut“ oder „schlecht“ ist. Es kommt immer auf den Kontext an, in dem eine bestimmte Eigenschaft gebraucht wird.
Wenn Welten aufeinandertreffen: Die Mensch-Hund-Dynamik
Ein zentraler Punkt der Episode ist die Interaktion zwischen unterschiedlichen Charaktertypen. Anhand des fiktiven Beispiels von Lena - einer gewissenhaften, ruhigen Halterin (G-Typ) - und ihrer extrovertierten, distanzlosen Labradorhündin Erna wird dies verdeutlicht. Lena möchte alles perfekt machen, ist durch das impulsive Verhalten ihres Hundes aber oft überfordert und unsicher.
Christel erklärt, dass Lena in Stresssituationen Zeit zum Nachdenken braucht, während der Hund bereits handelt. Als Trainerin würde sie Lena daher klare, automatisierbare Notfallpläne an die Hand geben, beispielsweise den Einsatz einer Schleppleine, um Zeit zum Reagieren zu gewinnen. Zudem sei es wichtig, mit Lena an ihren Glaubenssätzen zu arbeiten (z. B. „Ich muss alles richtig machen“), damit sie lernt, auch mal unperfekt, aber dafür konsequent zu handeln.
Diese Dynamik zeigt, wie wichtig es ist, das Training an das Mensch-Hund-Team anzupassen. Ein „G-Typ“ wie Lena benötigt strukturierte Anleitungen, während ein „Macher-Typ“ vielleicht direktere und herausforderndere Aufgaben braucht.
Training, das den Charakter respektiert
Ein wiederkehrendes Thema ist die Trainingsphilosophie. Christel stellt klar: „Was habe ich denn für ein Interesse daran, einen Charakter zu brechen? Ich mache ja nur was kaputt.“ Das Ziel sei es, die angeborenen Eigenschaften eines Hundes zu erhalten, ihm aber beizubringen, diese kontrolliert einzusetzen. Impulskontrolle und Frustrationstoleranz sind hierfür die entscheidenden Werkzeuge.
Ein Hund darf und soll seinen Charakter leben, muss aber lernen, sich an grundlegende Regeln zu halten. Christel nennt als Beispiel, dass ihre Hunde eine Stunde lang tun dürfen, was sie wollen, solange sie die etablierten Grenzen (z. B. keine Jagd auf Radfahrer) respektieren. Ein klares „Nein, lass es“ muss verlässlich funktionieren. Dieser Rahmen gibt dem Hund die Freiheit, er selbst zu sein, ohne zur Gefahr oder Belastung für die Umwelt zu werden.
Die Motivation hinter dem Verhalten verstehen
Um effektiv trainieren zu können, ist es laut Christel unerlässlich, die Motivation hinter einem Verhalten zu erkennen. Das Beispiel der Leinenaggression illustriert dies eindrücklich:
- Ein extrovertierter Hund wie die Labradorhündin Erna pöbelt an der Leine möglicherweise aus Frust, weil er nicht zu dem anderen Hund oder Menschen hinlaufen darf. Hier liegt der Trainingsfokus auf Frustrationstoleranz.
- Ein unsicherer Hund (Teamplayer), dessen Mensch ebenfalls unsicher ist, bellt vielleicht, um seinen Menschen zu beschützen. Ihn dafür zu bestrafen (z. B. mit einer Wasserflasche), wäre kontraproduktiv und würde die Beziehung belasten. Hier muss am Selbstvertrauen des Menschen und an der Führung gearbeitet werden.
- Eine Macher-Hündin könnte aus einer territorialen Motivation heraus handeln und ihren Status verteidigen wollen. Hier kann es helfen, ihr ein alternatives Verhalten anzubieten, das ihr erlaubt, „ihr Gesicht zu wahren“, wie zum Beispiel am Wegesrand zu schnüffeln.
Dieses Verständnis verhindert Fehlinterpretationen und ermöglicht ein Training, das an der Wurzel des Problems ansetzt, anstatt nur Symptome zu bekämpfen.
Die Verantwortung des Menschen: Selbstreflexion und Klarheit
Yvonne und Mustafa heben hervor, dass viele Menschen ein festes Bild davon haben, wie ihr Hund sein sollte, und Schwierigkeiten haben, den realen Charakter des Tieres zu akzeptieren. Christel bestätigt, dass die Akzeptanz und Wertschätzung der Andersartigkeit eine große Hürde sein kann.
Sie betont die Rolle des Menschen als Gestalter der Beziehung. Ein Mensch, der heute so und morgen anders entscheidet, verunsichert seinen Hund. Besonders ein struktur-liebender „G-Typ“-Hund leidet unter mangelnder Vorhersehbarkeit. Als Hundehalter ist es deine Aufgabe, dir über deine Ziele und Regeln klar zu werden und diese konsequent zu vertreten. Diese Klarheit schafft Vertrauen und nimmt dem Hund die Last, eigene Entscheidungen treffen zu müssen.
Letztlich, so Christel, führt das Überwinden von Hilflosigkeit durch klares Handeln dazu, dass die emotionale Verbindung wieder gestärkt wird. Wenn der Mensch merkt, dass die Beziehung wieder funktioniert, entsteht Nähe, die den Hund entspannter und ruhiger macht.
Praktische Schritte für ein harmonisches Miteinander
- Finde eure Typen heraus: Beschäftige dich bewusst mit deiner eigenen Persönlichkeit und beobachte deinen Hund genau. Nutze die Fragen aus Christels Buch, um eine erste Einschätzung eurer Charaktertypen zu bekommen.
- Analysiere die Motivation: Bevor du ein unerwünschtes Verhalten korrigierst, frage dich: Warum tut mein Hund das gerade? Ist es Angst, Frust, Unsicherheit oder etwas anderes?
- Setze einen klaren Rahmen: Definiere wenige, aber unumstößliche Regeln (z. B. Ansprechbarkeit, kein Jagen von Bewegungsreizen). Ein verlässlicher Rahmen gibt deinem Hund Sicherheit.
- Passe dein Training an: Richte deine Kommunikation und deine Trainingsmethoden an deinem und dem Charakter deines Hundes aus. Ein sensibler Hund braucht eine andere Ansprache als ein robuster „Macher“.
- Schätze die Andersartigkeit: Sieh die Charakterzüge deines Hundes, die dich herausfordern, nicht als Makel, sondern als Chance, selbst zu wachsen und eure Beziehung zu vertiefen.
- Komm ins Tun: Warte nicht darauf, dass sich Probleme von selbst lösen. Werde aktiv, probiere neue Wege aus und suche dir professionelle Unterstützung, wenn du allein nicht weiterkommst.