Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts The Petfood Family spricht Moderator Jan Dießner mit Christiane, der Gründerin und ehrenamtlichen Leiterin des Lebenshofs Argenhof. Bekannt aus einer früheren Episode, in der sie den Tieren des Hofes ihre Stimme lieh, teilt Christiane nun ihre persönliche Geschichte und ihre tiefgreifende Lebensphilosophie. Das Gespräch beleuchtet ihre Anfänge im Tierschutz, die Entwicklung ihrer einzigartigen Kommunikationsmethoden mit Tieren und die Prinzipien, die ihre Arbeit mit traumatisierten und als „schwierig“ geltenden Lebewesen leiten.
Diese Episode ist eine wertvolle Ressource für alle, die mit Tieren zusammenleben oder arbeiten. Sie stellt die zentrale Frage, wie ein von Gleichwertigkeit, Vertrauen und echter Verständigung geprägtes Miteinander zwischen Mensch und Tier gelingen kann, und bietet inspirierende Antworten jenseits konventioneller Trainingsmethoden.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Zuhören ist eine Kunst: Echte Kommunikation mit Tieren bedeutet laut Christiane, mit allen Sinnen wahrzunehmen und nicht nur das zu hören, was man hören möchte. Es geht darum, eine gemeinsame, artübergreifende Sprache zu finden, die auf Gleichwertigkeit basiert.
- Selbstbewusstsein statt Unterordnung: Das Ziel ihrer Arbeit ist es, Tieren zu helfen, ihr eigenes Ich-Bewusstsein wiederzufinden. Viele Tiere, die als problematisch gelten, haben nie gelernt, eigene Entscheidungen zu treffen oder ihre Bedürfnisse zu äußern.
- Verantwortung heißt Antworten finden: Für Christiane bedeutet Verantwortung, auf die Bedürfnisse und Probleme eines Lebewesens zu hören und aktiv nach Lösungen zu suchen, statt nur Regeln aufzuerlegen.
- Freiheit als Basis für Beziehung: Eine tiefe Verbindung, egal ob zu Mensch oder Tier, entsteht für sie durch das Gewähren von Freiraum und die Förderung von Unabhängigkeit, nicht durch Abhängigkeit und Kontrolle.
- Berechenbarkeit schlägt Inkonsequenz: Statt starrer, in jeder Situation gleicher Regeln ist es wichtiger, für das Tier berechenbar zu sein. Ein Tier kann verstehen, warum eine Regel in einem Moment gilt und im nächsten nicht, solange die Intention klar ist.
- Fehler sind Lernchancen: Eigene Fehler, wie eine Situation falsch einzuschätzen, sieht sie als wertvolle Lektionen. Sich selbst und dem Tier gegenüber einen Fehler einzugestehen, stärkt das Vertrauen und die Beziehung.
- Sinnstiftung durch Aufgabe: Selbst Tiere, die von der Gesellschaft aufgegeben wurden, können durch eine sinnvolle Aufgabe wie die Rettungshundearbeit aufblühen und ihre Leidenschaft wiederfinden, wenn sie diese selbst wählen dürfen.
Wer ist Christiane Rohn? Ein Leben für die Tiere
Christiane beschreibt sich selbst heute als einen Menschen, der vor allem „extrem dankbar“ ist. Dankbar für ein Leben, das sie als zutiefst sinnvoll empfindet und in dem sie so sein darf, wie sie ist. Ihr Alltag wird maßgeblich von ehrenamtlicher Arbeit bestimmt: als erste Vorsitzende des Argenhofs und in der Rettungshundearbeit. Nur ein kleiner Teil ihrer Zeit dient dem Geldverdienen durch Seminare und Beratungen für Hunde- und Pferdehalter. Ihre Schwerpunkte liegen hierbei auf der Förderung von Intelligenz und Selbstbewusstsein sowie dem Umgang mit extremen Emotionen wie Angst und Aggression.
Ihre Prägung erhielt sie bereits in jungen Jahren durch ihren Großvater, der sich für Sumpfschildkröten einsetzte, und ihre Tante, eine Verhaltensforscherin, die bei Konrad Lorenz studierte. Als Jugendliche begann sie in Tierheimen zu helfen und nahm Tiere auf, die keine Chance mehr hatten und eingeschläfert werden sollten. Diese frühe Konfrontation mit dem Leid von Tieren legte den Grundstein für ihren Lebensweg.
Die Kunst des Zuhörens: Kommunikation auf Augenhöhe
Ein zentrales Thema in Christianes Arbeit ist die Kommunikation. Sie betont, dass Zuhören mehr bedeutet, als nur mit den Ohren wahrzunehmen; es erfordert den Einsatz aller Sinne. Sie ist überzeugt, dass es eine artübergreifende, körpersprachliche Kommunikation gibt, die auf dem Prinzip der Gleichwertigkeit beruht. Paradoxerweise, so erklärt sie, kommt es zwischen Menschen trotz gemeinsamer Sprache oft zu mehr Missverständnissen als zwischen Mensch und Tier, wenn eine echte Verständigungsbasis geschaffen wird.
Tieren, die gelernt haben, dass ihre Meinung nicht zählt, zeigt sie durch aktives Reagieren auf kleinste Signale, dass sie „sprechen“ dürfen. Als Beispiel nennt sie den Hund Nemo, der bei seiner Ankunft eine Individualdistanz von zwei Metern hatte und jeden, der näherkam, attackiert hätte. Anstatt ihn zu konfrontieren, akzeptierte sie seine Grenze und suchte nach kreativen Lösungen, um ihn zu versorgen. Indem sie seine Signale respektierte und Kompromisse anbot, baute sie langsam eine Kommunikationsbrücke und damit Vertrauen auf.
Selbstbewusstsein und Freiheit als Schlüssel zur Heilung
Christianes oberstes Ziel ist es, Tieren zu ihrem Selbstbewusstsein - dem „Bewusstsein für sich selber“ - zurückzuverhelfen. Viele Tiere, insbesondere Hunde mit einem starken „Will to Please“, neigen zur erlernten Hilflosigkeit und geben sich selbst auf, wenn sie ständig unter Anpassungsdruck stehen. Konflikte entstehen ihrer Meinung nach oft, wenn der Raum für das eigene Ich zu klein wird.
Sie kritisiert rein technische Trainingsmethoden, die auf einem starren „Wenn-Dann“-Prinzip basieren. Diese Ansätze würden der Vielfalt und Komplexität von Lebewesen und Situationen nicht gerecht. Ein Lächeln beim Menschen kann unzählige Bedeutungen haben - genauso verhält es sich mit dem Ausdrucksverhalten von Tieren. Stattdessen plädiert sie dafür, Tieren die Freiheit zu geben, eigene Entscheidungen zu treffen und ihre Bedürfnisse zu äußern.
Der Argenhof: Mehr als ein Ort - ein Zuhause
Der Argenhof ist für Christiane nicht nur ein Projekt, sondern ihr Zuhause und ihre Familie. Es ist ein Ort der Sicherheit, an dem Menschen und Tiere so sein können, wie sie sind. Sie sieht sich selbst als Teil dieser Gemeinschaft, nicht als deren alleinige Leiterin. Ihre Position als erste Vorsitzende übt sie bewusst ehrenamtlich aus. Dies war von Anfang an ein Grundsatz, um sicherzustellen, dass ihre Motivation immer aus der Sache selbst und nicht aus finanzieller Notwendigkeit entsteht.
Eines ihrer wichtigsten Anliegen war es immer, sich selbst ersetzbar zu machen, um die Zukunft des Hofes zu sichern. Sie ist fest davon überzeugt, dass der Argenhof auch ohne sie weiterbestehen könnte, da er auf einem starken Fundament aus vielen engagierten Menschen und einer klaren Philosophie ruht.
Vom Problemfall zum Lebensretter: Die Rettungshundearbeit
Ein weiterer wesentlicher Teil von Christianes Leben ist die ehrenamtliche Arbeit in der Rettungshundestaffel. Hier bildet sie Hunde vom Argenhof aus – Tiere, die anderswo als nicht gesellschaftsfähig galten. Sie betont, dass die Hunde diese Aufgabe aus eigener Motivation und Leidenschaft übernehmen müssen. Die Sucharbeit ist für viele energiegeladene Hunde ein sinnvoller Lebensinhalt. Im Einsatz agieren sie und der Hund als gleichwertiges Team, in dem beide Partner Mitspracherecht haben. Wenn das Gelände für sie selbst zu schwierig wird, muss sie sich auf das Urteil des Hundes verlassen und umgekehrt. Diese Arbeit ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Tiere durch Vertrauen und eine sinnstiftende Aufgabe über sich hinauswachsen können.
Praktische Schritte für ein besseres Zusammenleben mit Tieren
- Höre wirklich zu: Achte nicht nur auf Laute, sondern auf die gesamte Körpersprache und die subtilen Signale deines Tieres. Schaffe einen Raum, in dem es seine Bedürfnisse und Grenzen sicher ausdrücken kann.
- Sei berechenbar, nicht nur starr konsequent: Dein Tier kann unterschiedliche Regeln in unterschiedlichen Kontexten verstehen, solange es deine Intention nachvollziehen kann. Klarheit über die aktuelle Situation ist wichtiger als eine eiserne Regel für alles.
- Fördere Selbstständigkeit und Entscheidungsfreiheit: Gib deinem Tier die Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen. Eine gesunde Beziehung basiert auf Partnerschaft und Vertrauen, nicht auf einseitiger Abhängigkeit.
- Akzeptiere Grenzen und verhandle Kompromisse: Wenn dein Tier eine Grenze setzt (z. B. durch Angst vor Nähe), respektiere diese zunächst. Suche dann nach kreativen Lösungen, die für beide Seiten funktionieren, um Vertrauen aufzubauen.
- Reflektiere deine eigene Rolle: Entsteht ein Konflikt oder eine negative Reaktion, frage dich ehrlich, was dein eigener Anteil daran war. Die Fähigkeit, eigene Fehler zu erkennen, ist entscheidend für eine starke Bindung.
- Erkenne die Individualität an: Löse dich von starren „Wenn-Dann“-Trainingsansätzen. Jedes Tier ist ein Individuum und jede Situation ist einzigartig. Lerne, den Gesamtkontext zu lesen und flexibel zu reagieren.