Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts „Hundefragestunde“ begrüßt Moderatorin Conny Sporrer die Hundetrainerin Sophie Grete aus dem Martin Rütter DOGS Netzwerk. Sophie betreibt eine Hundeschule in Würzburg und teilt ihre persönlichen Erfahrungen mit ihrer Tierschutzhündin Maja, deren anspruchsvolles Verhalten sie ursprünglich zur Trainerausbildung brachte.
Die Episode behandelt praxisnahe Hörerfragen zu den Themen reaktives Verhalten bei unterschiedlichen Bezugspersonen, das gezielte Training eines „Ausweichsignals“ am Wegesrand sowie den Umgang mit Hunden, die im Wasser ein übersteigertes Kontroll- oder „Rettungsverhalten“ zeigen. Eine weitere Diskussion taucht tief in die theoretische Frage ein, ob Territorialverhalten eine eigenständige Motivation des Hundes darstellt.
Diese Folge ist besonders relevant für Hundebesitzer, deren Hunde sich in Anwesenheit verschiedener Personen unterschiedlich verhalten, sowie für alle, die nach konkreten Anleitungen für spezifische Verhaltensweisen suchen. Die zentrale Frage ist, wie man komplexes Hundeverhalten durch gezieltes Training und kluges Management im Alltag steuern kann.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Verhalten ist personengebunden: Ein Hund, der sich bei seiner Hauptbezugsperson tadellos verhält, kann bei anderen Betreuern (z. B. den Eltern) altes, reaktives Verhalten zeigen. Dies liegt oft an fehlender Führungssicherheit und unterschiedlichen Regeln bei der betreuenden Person.
- Management statt Training für Betreuer: Anstatt von Betreuungspersonen zu erwarten, dass sie ein komplettes Trainingsprogramm absolvieren, ist es effektiver, ihnen 2 - 3 einfache Management-Regeln an die Hand zu geben. Dazu gehören das Führen auf der abgewandten Seite, der Einsatz einer Futtertube zur Ablenkung und das konsequente Meiden von problematischen Begegnungen.
- Ein „Ausweichsignal“ gezielt aufbauen: Um einem Hund beizubringen, auf Kommando an den Wegesrand zu gehen (z. B. bei Radfahrern), empfiehlt Sophie Grete, den Hund zunächst mit einem geworfenen Leckerli vom Weg zu locken, das Signal (z. B. „Wiese“) zu etablieren und später Kommandos wie „Sitz“ oder „Platz“ hinzuzufügen.
- „Rettungsverhalten“ ist oft Kontrollverhalten: Wenn ein Hund Menschen oder Gegenstände aus dem Wasser „retten“ will, steckt dahinter meist der Drang, eine unübersichtliche Situation zu kontrollieren (Hüteverhalten), und seltener ein echter Rettungsinstinkt.
- Impulskontrolle als Schlüssel: Um übersteigertes Verhalten am Wasser zu trainieren, sollte man mit dem kleinstmöglichen Reiz beginnen (z. B. einen Stein ins Wasser werfen) und die Fähigkeit des Hundes, ruhig zu bleiben, schrittweise steigern.
- Rückschläge sind kein Drama: Ein einzelner Vorfall, bei dem der Hund unter der Aufsicht einer anderen Person reaktiv war, macht monatelanges, erfolgreiches Training nicht zunichte. Die Beziehung und die etablierten Regeln mit der Hauptbezugsperson bleiben davon meist unberührt.
Wenn der Hund sich nur beim Halter benimmt: Führung und Management
Die erste Hörerfrage beschreibt ein häufiges Phänomen: Ihre Tierschutzhündin Malou ist bei ihr vorbildlich, reagiert jedoch bei Hundebegegnungen reaktiv (knurren, fixieren, bellen), wenn sie von ihrer Mutter geführt wird. Sophie Grete erklärt, dass sie dieses Verhalten von ihrer eigenen Hündin Maja kennt. Wenn Maja von anderen Personen betreut wird, zeigt sie ebenfalls Verhaltensweisen, die bei Sophie selbst nicht auftreten.
Als mögliche Ursachen nennen die Expertinnen zwei Hauptgründe:
- Fehlende Sicherheit und Orientierung: Der Hund spürt, dass die betreuende Person ihm nicht die gleiche Sicherheit und klare Führung bietet wie die Hauptbezugsperson. Daher ergreift er selbst die Initiative, um für Abstand zu sorgen.
- Unterschiedliche Lernerfahrungen: Der Hund hat gelernt, dass bei der Hauptbezugsperson klare Regeln gelten (z. B. kein Kontakt an der kurzen Leine), während bei anderen Personen diese Grenzen weniger konsequent durchgesetzt werden.
Anstatt die Mutter in ein komplexes Training einzubinden, raten Conny und Sophie zu einfachen Management-Maßnahmen. Die Mutter sollte konkrete, leicht umsetzbare Anweisungen erhalten:
- Den Hund frühzeitig auf die vom anderen Hund abgewandte Seite nehmen.
- Einen großen Bogen um die Begegnung laufen oder notfalls umdrehen.
- Eine Futtertube (z. B. mit Leberwurst) verwenden, um den Hund während der Begegnung positiv abzulenken und zu beschäftigen.
Ein wichtiger Appell der Trainerinnen ist, entspannt zu bleiben. Ein gelegentlicher Rückfall bei der Betreuungsperson zerstört nicht die gesamte Erziehung. Solange die Basis mit der Hauptbezugsperson stabil ist, verkraftet der Hund solche Ausnahmen.
Das „Wiese“-Signal: So bringst du deinem Hund bei, am Wegesrand zu warten
Eine weitere Frage befasst sich mit dem Aufbau eines Signals, das den Hund dazu veranlasst, vom Weg herunterzugehen und dort zu warten - ideal für Begegnungen mit Radfahrern, Joggern oder anderen Hunden. Sophie Grete hat für ihre Hündin Maja das Signal „Wiese“ etabliert, das genau diese Funktion erfüllt.
Sie beschreibt ihren Trainingsaufbau, der darauf abzielt, von Anfang an auf Distanz zu arbeiten:
- Schritt 1: Leckerli werfen: Sophie warf ein Leckerli in die Wiese und schickte Maja mit einem „Such“-Signal hinterher. In dem Moment, als Maja das Leckerli fraß, sagte sie das Wort „Wiese“.
- Schritt 2: Signal etablieren: Im nächsten Schritt schickte sie den Hund direkt mit dem Signal „Wiese“ zum geworfenen Leckerli.
- Schritt 3: Verhalten hinzufügen: Sobald der Hund das Signal verstand, fügte sie ein Sitz- oder Platzsignal hinzu, nachdem der Hund in der Wiese angekommen war.
- Schritt 4: Belohnung auf Distanz: Um zu verhindern, dass der Hund zurück zum Menschen läuft, warf sie die Belohnung gezielt hinter den Hund. Das stärkt die Erwartungshaltung, am Rand zu bleiben.
Dieser Aufbau hat den Vorteil, dass der Hund lernt, das Signal direkt auf Distanz auszuführen, anstatt erst zum Menschen zu kommen und dann zur Seite zu gehen. Conny ergänzt, dass ein solches Signal eine hervorragende Alternative zum permanenten Rückruf ist und das Notrufsignal schont.
Eine philosophische Frage: Ist Territorialverhalten eine eigenständige Motivation?
Hörer Marco stellt eine tiefgehende, theoretische Frage: Gehört Territorialverhalten zu den vier Grundmotivationen des Hundes (Jagd-, Sozial-, Sexual- und Territorialverhalten) oder ist es nicht vielmehr eine untergeordnete Motivation, die immer im Dienst einer der anderen drei steht? Er argumentiert, dass ein Territorium immer verteidigt wird, um Ressourcen (Jagd), Sozialpartner (Sozial) oder Paarungspartner (Sexual) zu schützen.
Sophie und Conny finden den Gedankenansatz spannend. Sie stimmen zu, dass die Motivationen stark miteinander verwoben sind. Sophie argumentiert jedoch, dass Territorialverhalten auch als eigenständiger Antrieb gesehen werden kann. Insbesondere unsichere Hunde verteidigen oft einen Raum (z. B. die Wohnung oder das Körbchen), weil es der einzige Ort ist, an dem sie sich sicher fühlen. In diesem Fall dient das Verhalten primär dem eigenen Sicherheitsbedürfnis und nicht direkt einer der anderen drei Motivationen. Sie schlussfolgern, dass man Territorialverhalten zwar mit den anderen Motivationen koppeln kann, es aber auch isoliert als fundamentales Bedürfnis nach einem sicheren Raum existiert.
„Rettungsschwimmer“ wider Willen: Wenn der Hund im Wasser überdreht
Die letzte Frage kommt von Stefanie. Ihre Berner Sennenhund-Mischlingshündin versucht, alles und jeden aus dem Wasser zu „retten“ – Spielzeug, Steine und sogar ihren erwachsenen Sohn. Dabei gerät sie in extremen Stress, schreit und ist nicht ansprechbar. Die Trainerinnen analysieren, dass dieses Verhalten seltener auf einem echten Rettungsinstinkt basiert. Vielmehr handelt es sich oft um ein Kontroll- oder Hüteverhalten.
Sie schlagen vor, die Motivation des Hundes an Land zu testen: Reagiert der Hund ähnlich kontrollierend, wenn der Sohn auf einer Wiese unvorhersehbar hin und her rennt? Dies würde die These des Hüteverhaltens stützen. Das Training sollte sich auf den Aufbau von Impulskontrolle konzentrieren:
- Kleinschrittig beginnen: Das Training sollte mit dem geringsten Reiz starten, zum Beispiel dem Werfen eines Steins ins flache Wasser, während der Hund ruhig bleiben muss. Erst wenn das zuverlässig klappt, wird die Schwierigkeit langsam gesteigert.
- Verantwortung entziehen: Im Alltag sollte darauf geachtet werden, dem Hund die Verantwortung für Familienmitglieder zu entziehen, etwa durch einen festen Liegeplatz, von dem aus er das Geschehen nur beobachten darf.
- Management ist entscheidend: Solange der Hund das Verhalten nicht kontrollieren kann, sollte er nicht in Situationen gebracht werden, die ihn überfordern. Das bedeutet, während der Trainingsphase auf gemeinsame Badeausflüge in der problematischen Konstellation zu verzichten.
Praktische Schritte
- Für Betreuungspersonen mit einem reaktiven Hund: Gib klare und einfache Anweisungen. Der Hund soll an der Leine auf der Seite geführt werden, die vom Reiz (z. B. anderer Hund) abgewandt ist. Eine Futtertube kann zur Ablenkung dienen. Im Zweifel gilt: Abstand vergrößern oder umdrehen.
- Das „Wiese“-Signal trainieren: Beginne damit, ein Leckerli vom Wegesrand weg zu werfen. Sage dein Signalwort („Wiese“, „Seite“, „Rand“), wenn der Hund das Leckerli aufnimmt. Schicke ihn später gezielt mit dem Signal dorthin, auch wenn du den Wurf nur noch andeutest. Füge dann ein „Sitz“ oder „Platz“ hinzu und belohne ihn auf Distanz, um das Bleiben zu festigen.
- Umgang mit „Rettungsverhalten“ im Wasser: Analysiere zuerst die Motivation. Teste, ob der Hund auch an Land kontrollierendes Verhalten zeigt. Beginne das Training am Wasser mit minimalen Reizen (z. B. Steine) und belohne den Hund für Ruhe und Zurückhaltung. Vermeide während der Trainingsphase Situationen, die den Hund überfordern.