Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser „Quicktipps“-Episode des Podcasts Hundestunde erklärt Hundetrainerin Conny Sporrer, warum Impulskontrolle eine der wichtigsten Säulen in der Hundeerziehung ist. Sie beleuchtet die biologischen Hintergründe impulsiven Verhaltens und zeigt auf, wie häufige Fehler im Alltag die Probleme verschlimmern. Im Zentrum steht eine detaillierte, praxisnahe Anleitung zum Aufbau des „Bleib“-Signals als entscheidendes Werkzeug für mehr Selbstbeherrschung beim Hund.
Die Episode richtet sich an alle Hundebesitzer:innen - vom Welpen bis zum erwachsenen Hund - und beantwortet die zentrale Frage: Wie bringe ich meinem Hund geduldig und effektiv bei, Alltagsreizen zu widerstehen und auf meine Signale zu warten? Als neues Element stellt Conny Sporrer außerdem die Rubrik „Herzenshund des Monats“ vor, die auf den Vorschlag einer Hörerin zurückgeht.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Impulskontrolle ist fundamental: Conny Sporrer betont, dass Selbstbeherrschung die Basis für fast alle Bereiche der Hundeerziehung ist, von der Leinenführigkeit über den Rückruf bis hin zum Antijagd- und Antigiftködertraining.
- Vermeide unbewusste Verstärkung: Gib dem Hund nicht nach, wenn er durch Fiepen, Bellen oder an der Leine ziehen versucht, seinen Willen durchzusetzen. So lernt er, dass impulsives Verhalten nicht zum Ziel führt.
- Integriere das Training in den Alltag: Nutze alltägliche Situationen wie das Anziehen der Schuhe vor dem Spaziergang oder das Füttern, um kleine, ruhige Warte-Momente zu etablieren.
- Das „Bleib“-Signal ist ein zentrales Werkzeug: Ein klar aufgebautes „Bleib“ ist entscheidend, um dem Hund beizubringen, in einer Position zu verharren, auch wenn spannende Reize auftreten.
- Generalisierung ist der Schlüssel: Übe das Bleiben nicht nur steril, sondern unter Einbezug alltäglicher Bewegungen (Bücken, Umdrehen) und an verschiedenen Orten, um es „bombenfest“ zu machen.
- Belohne die Ruhe, nicht die Aufregung: Sporrer empfiehlt dringend, für das Training der Impulskontrolle Futterbelohnungen zu nutzen, da sie im Gegensatz zu Spielzeug Ruhe und Konzentration fördern.
- Training ist ein lebenslanger Prozess: Auch bei einem gut erzogenen, älteren Hund sollte das Training nie ganz aufhören. Nutze einfache Situationen, um das Gelernte durch gelegentliche Belohnungen (intermittierende Verstärkung) frisch zu halten.
Die fundamentale Bedeutung der Impulskontrolle
Conny Sporrer leitet die Episode mit der Feststellung ein, dass Impulskontrolle neben Rückruf und Leinenführigkeit zu den wichtigsten Erziehungsthemen gehört und sogar die Voraussetzung für deren Gelingen ist. Sie erklärt, dass das Nachgeben von Impulsen - etwa einem Reh nachzujagen - ein biologisch sinnvoller Reflex ist. In unserer Gesellschaft ist es jedoch unerlässlich, Hunden Selbstbeherrschung beizubringen, damit sie den unzähligen Alltagsreizen widerstehen können. Sporrer vergleicht diesen Lernprozess mit der menschlichen Kindheit, in der wir ebenfalls lernen müssen, Verlockungen nicht sofort nachzugeben. Diesen Lernprozess unseren Hunden mit Geduld und Struktur zu ermöglichen, sei eine unserer wichtigsten Aufgaben als Halter:innen.
Häufige Fehler und wie du sie von Anfang an vermeidest
Ein zentrales Problem entsteht laut Sporrer dadurch, dass Menschen das impulsive Verhalten ihrer Hunde oft unbewusst belohnen. Der Grundsatz lautet: Der Hund darf nicht lernen, dass er mit einem bestimmten Verhalten ans Ziel kommt. Sie nennt konkrete Beispiele für typische Fehler:
- Nachgeben bei Fiepen und Bellen: Wenn ein Hund fiept, weil er schneller sein Futter möchte oder rausgehen will, und der Mensch darauf reagiert, verstärkt er dieses fordernde Verhalten.
- Erfolg durch Leineziehen: Wenn ein Hund zu einem interessanten Schnüffelpunkt zieht und dorthin gelangt, lernt er, dass Ziehen eine erfolgreiche Strategie ist.
- Aufregung vor dem Spaziergang: Viele Hunde lernen, sich hochzufahren, sobald der Mensch zur Leine greift. Sporrer rät dazu, von Anfang an kleine, natürliche Pausen einzubauen - der Hund soll zum Beispiel ruhig auf einem Teppich warten, während man die Schuhe anzieht.
- Chaotische Besuchersituationen: Ein typisches Szenario ist, dass der Hund aufgeregt zur Tür stürmt und vom Besuch ebenso aufgeregt begrüßt wird. Dies verstärkt die Erwartungshaltung. Besser sei es, den Hund auf seinen Platz zu schicken und die Besucher anzuweisen, ihn zunächst komplett zu ignorieren, bis er sich beruhigt hat.
Das „Bleib“-Signal als zentrales Werkzeug trainieren
Um Impulskontrolle aktiv zu trainieren, ist ein zuverlässiges „Bleib“-Signal laut Conny Sporrer unerlässlich. Sie grenzt es klar von Signalen wie „Sitz“ ab: „Sitz“ bedeutet „setz dich hin“, während „Bleib“ bedeutet „verharre in deiner aktuellen Position“. Sie erklärt den Aufbau kleinschrittig: Man bringt den Hund in eine Position (Sitz, Platz oder auch Steh), gibt das Hör- und Sichtzeichen für „Bleib“ und belohnt ihn sofort - anfangs schon für eine halbe Sekunde des Verharrens. Wichtig ist, die Übung anschließend mit einem klaren Auflösesignal (z. B. „Lauf“) zu beenden, damit der Hund lernt, wann die Anforderung vorbei ist.
Schwierigkeit steigern und für den Alltag generalisieren
Nachdem der Hund das Grundprinzip verstanden hat, wird die Schwierigkeit schrittweise erhöht. Zuerst wird die zeitliche Distanz verlängert, indem man einige Sekunden wartet, bevor die Belohnung folgt. Danach kommt die räumliche Distanz hinzu, indem man sich langsam vom Hund entfernt - zunächst nur einen Wiegeschritt, später mehrere Meter. Sporrer kritisiert hierbei starre Trainingsmethoden, wie sie oft auf Hundeplätzen gelehrt werden (z. B. immer auf dieselbe Art zum Hund zurückzukehren). Für den Alltag sei es entscheidend, das Signal zu generalisieren. Das bedeutet, während der Hund im „Bleib“ ist, alltägliche Bewegungen auszuführen: sich bücken, umdrehen, in die Hocke gehen oder sich an verschiedenen Positionen neben den Hund stellen. Nur so wird das Kommando wirklich alltagstauglich und zuverlässig.
Training mit Ablenkungen und die richtige Belohnung
Im nächsten Schritt werden gezielt Ablenkungen eingebaut. Sporrer beschreibt, wie man dies zum Beispiel mit einem Ball oder Futterstück übt: Zuerst tut man nur so, als würde man den Gegenstand ablegen, dann berührt man kurz den Boden damit und legt ihn schließlich tatsächlich ab. Der Hund wird dabei konsequent dafür belohnt, dass er der Versuchung widerstanden und gewartet hat. Sporrer betont, dass es wichtig ist, dem Hund gelegentlich auch zu erlauben, dem Impuls kontrolliert nachzugehen (z. B. auf Signal zum Ball laufen zu dürfen), um die Motivation hochzuhalten. Bei der Wahl der Belohnung plädiert sie eindringlich für Futter, da es Ruhe fördert. Spielzeug hingegen steigere oft die Erregung und sei daher für das Training von Selbstbeherrschung kontraproduktiv. Für wenig futtermotivierte Hunde empfiehlt sie besonders hochwertige Leckerlis (Wurst, Käse) oder den Einsatz einer Futtertube.
Praktische Schritte: Das „Bleib“-Signal trainieren
- Position & Signal: Bring deinen Hund in eine Position (z. B. Sitz) und gib gleichzeitig das Hör- und Sichtzeichen für „Bleib“.
- Sofort belohnen: Belohne ihn sofort für eine Sekunde ruhiges Warten. Am Anfang kannst du den Keks schon in der Hand halten, um schnell zu sein.
- Klar auflösen: Beende die Übung bewusst mit einem Auflösesignal wie „Lauf“, damit der Hund versteht, dass er sich wieder frei bewegen darf.
- Kurze Einheiten wiederholen: Wiederhole die ersten Schritte mehrmals. Führe dann ein, dass du nach der Belohnung erneut „Bleib“ sagst, anstatt die Übung immer aufzulösen.
- Dauer steigern: Verlängere langsam die Zeit, die der Hund warten muss, bevor die Belohnung kommt (von einer auf mehrere Sekunden).
- Distanz aufbauen: Wenn die Dauer gut funktioniert, beginne, dich schrittweise vom Hund zu entfernen.
- Alltagsbewegungen einbauen: Integriere natürliche Bewegungen wie Bücken, Umdrehen oder in die Hocke gehen, um das Signal unter realistischen Bedingungen zu festigen.
- Kontrollierte Ablenkungen hinzufügen: Beginne, Reize wie ein abgelegtes Spielzeug oder Futterstück einzuführen. Belohne den Hund immer für das Aushalten der Ablenkung.
- Gelegentlich belohnen: Sobald das Signal zuverlässig funktioniert, wechsle von der ständigen zur gelegentlichen (intermittierenden) Belohnung. Dies macht das Verhalten besonders robust.