Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode von The Petfood Family spricht Moderator Jan Dießner mit Martin Rütter, dem wohl bekanntesten Hundetrainer Deutschlands. Das Gespräch entwickelt sich schnell von einem lockeren Austausch zu einem tiefgründigen Appell für mehr Tierschutz und gesellschaftliche Verantwortung. Martin gibt offene Einblicke in seinen Wandel vom Hundetrainer zum Aktivisten, die dunklen Abgründe des illegalen Welpenhandels und seine konkreten politischen Forderungen, um das Leid von Tieren in Deutschland nachhaltig zu beenden. Die Episode ist ein Muss für alle, die verstehen wollen, welche systemischen Probleme hinter dem Tierleid stecken und wie jeder Einzelne Teil der Lösung werden kann.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Der illegale Welpenhandel ist organisierte Kriminalität: Martin Rütter beschreibt den Handel als ein mafiös strukturiertes, bestialisches Geschäft, das nicht nur im Ausland, sondern mitten in Deutschland stattfindet. Orte wie die „Welpenstube Winkel“ dienen als Fassade für massenhaft importierte, oft kranke und verhaltensgestörte Welpen.
- Ein bundesweiter Hundeführerschein ist überfällig: Martin fordert einen verpflichtenden Hundeführerschein, der vor der Anschaffung eines Hundes absolviert werden muss. Diese Schulungen sollen idealerweise in Tierheimen stattfinden, um angehende Halter direkt aufzuklären und die Tierheime finanziell zu unterstützen.
- „Adoptieren statt produzieren“: Seine Kampagne richtet sich gezielt gegen die „Produktion“ von Welpen unter tierschutzwidrigen Bedingungen, nicht gegen seriöse, liebevolle Hobbyzüchter. Ziel ist es, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Tierheime voll sind.
- Kooperation statt Konkurrenz in der Hundeszene: Martin kritisiert die ausgeprägte Konkurrenzhaltung unter Hundetrainern und plädiert für mehr Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung. Er betont: „Support ist kein Mord.“
- Jeder kann etwas bewirken: Sein zentraler Appell ist, über diese Missstände zu sprechen. Ob im Park, auf dem Marktplatz oder im Freundeskreis - je mehr Menschen informiert sind, desto größer wird der gesellschaftliche Druck, etwas zu ändern.
- Authentizität als Schlüssel: Martin erklärt, wie wichtig es für ihn ist, authentisch zu bleiben - auch wenn das bedeutet, sich angreifbar zu machen, Emotionen zu zeigen oder für seine Haltung bedroht zu werden.
Vom Hundeprofi zum Tierschutzaktivisten: Die Verantwortung der Reichweite
Martin Rütter reflektiert über seine fast 30-jährige Karriere und wie sich seine Rolle gewandelt hat. Während er anfangs vor einer Handvoll Menschen in Dorfkneipen sprach, erreicht er heute Tausende. Mit dieser „öffentlichen Wucht“ geht für ihn eine klare Verantwortung einher: Er müsse seine Reichweite nutzen, um Tierschutzthemen eine Bühne zu geben. Martin erklärt, dass es fahrlässig wäre, dies nicht zu tun. Diese Haltung bringt ihm nicht nur Zuspruch, sondern auch ernstzunehmende Bedrohungen gegen sich und seine Familie ein, was Sicherheitsvorkehrungen wie Personenschutz notwendig macht. Sein Antrieb sei jedoch ungebrochen: Wer einmal das Ausmaß des Leids gesehen habe - sei es in Massentierhaltungsbetrieben oder bei der Welpenproduktion -, könne nicht mehr wegsehen.
Der Kampf gegen den illegalen Welpenhandel: Ein System aus Grausamkeit und Profit
Das Herzstück des Gesprächs ist Martins unermüdlicher Kampf gegen den illegalen Welpenhandel. Er beschreibt ihn als ein bestialisches und mafiös organisiertes Geschäft. Als zentrales Beispiel nennt er die „Welpenstube Winkel“, die er als Platzhalter für ein deutschlandweites Problem sieht. Er schildert die katastrophalen Bedingungen, unter denen die „Muttertiere“ im Ausland gehalten werden: Hündinnen, die jahrelang ohne Tageslicht in Bretterverschlägen leben, Wurf nach Wurf produzieren und am Ende dem Hungertod überlassen werden. Die Welpen werden laut Martin in Ungarn bereits mit deutschen Chips versehen, nach Deutschland transportiert und hier als „liebevoll aufgezogene“ Tiere verkauft. Die Käufer erhalten jedoch oft kranke und durch mangelnde Sozialisierung schwer verhaltensauffällige Hunde. Martin kritisiert scharf, dass dieses System durch mangelnde gesetzliche Regelungen und teils untätige Veterinärämter ermöglicht wird.
Politische Forderungen: Konkrete Lösungen für ein systemisches Problem
Martin belässt es nicht bei der Kritik, sondern präsentiert konkrete politische Forderungen, die er unter anderem im Bundestag vorgestellt hat. Seine zentralen Punkte sind:
- Verpflichtender Hundeführerschein vor der Anschaffung: Angehende Halter sollen sich Wissen aneignen, bevor sie die Verantwortung für ein Lebewesen übernehmen. Dies soll verhindern, dass sie unwissentlich den illegalen Handel unterstützen. Die Kurse sollen in Tierheimen stattfinden, um deren Arbeit zu finanzieren und den ersten Kontakt zu Tierschutzhunden herzustellen.
- Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht: Jeder Hund müsse gechippt und zentral registriert werden, um seine Herkunft lückenlos nachverfolgen zu können. Er vergleicht die aktuelle Situation mit einem Apfel im Supermarkt, dessen Herkunft besser nachvollziehbar sei als die eines Hundes.
- Regulierung von Online-Plattformen: Der anonyme Verkauf von Tieren im Internet müsse unterbunden werden. Verkäufer müssten sich klar identifizieren.
- Zweckgebundene Hundesteuer: Martin schlägt vor, die jährlich eingenommenen 400 Millionen Euro Hundesteuer direkt in den Tierschutz, insbesondere die überlasteten Tierheime, zu investieren.
Kooperation statt Konkurrenz: Ein Plädoyer für die Hundeszene
Ein wiederkehrendes Thema ist Martins Wunsch nach mehr Zusammenhalt in der Hundewelt. Er beschreibt eine Kultur der Skepsis und des Konkurrenzdenkens unter Hundetrainern, bei der oft die Meinung vorherrsche, „der andere hat überhaupt keine Ahnung“. Er selbst suche aktiv den Austausch mit anderen Trainern und sehe darin einen Mehrwert für alle. Als positives Beispiel nennt er die Zusammenarbeit mit der jungen Trainerin von „Foxdevils, die einen als „unvermittelbar“ geltenden Hund aus seiner TV-Sendung erfolgreich resozialisierte - auf eine andere Art, als er es getan hätte. Für Martin ist dies ein Paradebeispiel dafür, wie man gemeinsam für das Wohl des Tieres arbeiten kann, anstatt sich an unterschiedlichen Methoden aufzureiben.
Authentizität und persönliche Entwicklung
Im Gespräch zeigt sich Martin Rütter sehr reflektiert über seinen eigenen Weg. Er gibt zu, früher oft zu konfrontativ gewesen zu sein und Menschen vor den Kopf gestoßen zu haben. Heute wisse er, dass man Menschen mitnehmen und ihnen „goldene Brücken bauen“ müsse, um sie für Tierschutzthemen zu gewinnen. Er betont die Wichtigkeit, sich selbst weiterzuentwickeln und offen für neue Erkenntnisse zu sein. Als Beispiel nennt er das Thema vegane Hundeernährung: Nachdem er sich anfangs darüber lustig gemacht hatte, ließ er sich von einem Wissenschaftler eines Besseren belehren und treibt nun selbst Forschungsprojekte dazu voran. Diese Bereitschaft, Fehler zuzugeben und dazuzulernen, sei essenziell, um nicht zu einem alten Trainer zu werden, „der glaubt, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben“.
Praktische Schritte für Hundehalter und Tierschützer
Aus dem Gespräch lassen sich folgende konkrete Handlungsempfehlungen für jeden Einzelnen ableiten:
- Rede darüber: Der wichtigste Appell von Martin ist, das Wissen über den Welpenhandel und andere Tierschutzmissstände aktiv zu teilen. Nur durch Aufklärung kann sich gesellschaftlich etwas ändern.
- Adoptiere, statt zu produzieren: Bevor du einen Welpen vom Züchter kaufst, ziehe einen Hund aus dem Tierschutz in Betracht. Die Tierheime sind überfüllt mit Tieren, die ein Zuhause suchen.
- Sei ein kritischer Käufer: Wenn du dich für einen Welpen vom Züchter entscheidest, informiere dich gründlich. Lass dir die Mutterhündin und die Aufzuchtbedingungen zeigen. Kaufe niemals einen Hund aus dem Kofferraum, auf einem Parkplatz oder über anonyme Online-Anzeigen.
- Unterstütze den Wandel: Setze dich für politische Veränderungen wie einen Hundeführerschein oder eine Kennzeichnungspflicht ein. Sprich Politiker darauf an und unterstütze entsprechende Petitionen.
- Fördere eine positive Hundekultur: Unterstütze Hundeschulen und Trainer, die auf Kooperation setzen und einen respektvollen Umgang pflegen. Sei offen für den Austausch und lerne von anderen.