Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
Mehr über das Projekt Petcaster
In dieser Episode des Podcasts The Petfood Family spricht Host Jan mit der Tierärztin und Ernährungsspezialistin Dr. Susanne Scherber, die in der Forschung und Entwicklung bei Mera Petfood tätig ist. Gemeinsam tauchen sie tief in die komplexe Welt der Hundeernährung ein, entlarven weitverbreitete Mythen und beleuchten die wissenschaftlichen Grundlagen einer gesunden Fütterung.
Die zentralen Themen sind die Unterscheidung zwischen echten Allergien und Unverträglichkeiten, die Bedeutung von Inhaltsstoffen und die wachsende Rolle von nachhaltigen, innovativen Proteinquellen wie Insekten. Diese Episode ist eine unverzichtbare Ressource für alle Hundebesitzer:innen, die sich im Dschungel der Futteroptionen zurechtfinden und fundierte, am Wohl ihres Tieres orientierte Entscheidungen treffen wollen, anstatt kurzlebigen Trends zu folgen.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Die perfekte Fütterung ist individuell: Laut Dr. Scherber gibt es nicht das eine, für alle Hunde ideale Futter. Die optimale Ernährung hängt vom einzelnen Tier, seinen Bedürfnissen, seinem Alter, seiner Gesundheit und auch vom Lebensstil der besitzenden Person ab.
- "Alleinfuttermittel" ist der Schlüsselbegriff: Ein hochwertiges Fertigfutter muss als "Alleinfuttermittel" deklariert sein. Dies garantiert, dass es den täglichen Nährstoffbedarf des Hundes vollständig deckt.
- Hunde sind keine Wölfe mehr: Die Evolution hat den Verdauungstrakt von Hunden an das Zusammenleben mit Menschen angepasst. Sie besitzen Gene zur Stärkeverdauung und können Kohlenhydrate als Energiequelle effizient nutzen.
- Allergie oder Unverträglichkeit?: Echte Futtermittelallergien sind seltener als angenommen. Oftmals, so Dr. Scherber, handelt es sich um Unverträglichkeiten, die durch schwer verdauliche Komponenten (z. B. in Kauartikeln) oder eine ungünstige Futterzusammensetzung entstehen und zu Verdauungsproblemen führen.
- Zusatzstoffe sind notwendig, nicht schädlich: Vitamine und Mineralstoffe müssen einem Fertigfutter zugesetzt werden, um es vollwertig zu machen, da sie im Herstellungsprozess teilweise verloren gehen oder in den Rohstoffen nicht ausreichend vorhanden sind.
- Nachhaltigkeit im Futternapf: Innovative Proteinquellen wie Seidenraupen- oder mikrobielles Protein sind nicht nur hochverdaulich und für sensible Hunde geeignet, sondern bieten auch eine umweltfreundliche Alternative zur traditionellen Fleischproduktion.
- Das Gesamtbild zählt: Bei Verdauungsproblemen sollte nicht nur das Hauptfutter, sondern die gesamte Ernährung inklusive Leckerlis, Kauartikeln und Tischresten kritisch betrachtet werden.
Die Suche nach dem „richtigen“ Futter: Ein individueller Ansatz
Dr. Susanne Scherber betont zu Beginn, dass die häufig gestellte Frage nach dem "besten Futter" nicht pauschal beantwortet werden kann. Ihre Philosophie basiert auf einem Dreiklang: den Bedürfnissen des Hundes, den Wünschen und Möglichkeiten des Menschen sowie der individuellen Situation. Eine junge Familie mit wenig Zeit hat andere Anforderungen an die Fütterung als jemand, der täglich für seinen Hund kochen kann. Der Verdauungsprozess des Hundes beginnt im Magen mit einer mechanischen und chemischen Vorverdauung. Die eigentliche Nährstoffaufnahme findet im Dünndarm statt. Dr. Scherber erklärt, dass es entscheidend ist, dass Proteine, Fette und Kohlenhydrate hier so effizient wie möglich aufgespalten werden. Gelangen zu viele im Dünndarm nicht verdaute Nährstoffe, insbesondere Eiweiß, in den Dickdarm, kann dies zu einer Dysbiose (Ungleichgewicht der Darmflora), Blähungen und weichem Kot führen.
Fertigfutter entschlüsselt: Worauf Du beim Kauf achten solltest
Im unübersichtlichen Markt für Hundefutter gibt Dr. Scherber einen klaren Orientierungspunkt: die Kennzeichnung als "Alleinfuttermittel". Dieser rechtlich definierte Begriff stellt sicher, dass ein Produkt bei alleiniger Fütterung den Nährstoffbedarf eines Hundes jeden Tag aufs Neue deckt. Um dies zu erreichen, ist der Zusatz von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen ("Zusatzstoffe") unerlässlich. Ein Futter ohne diese Ergänzungen kann den Bedarf nicht zuverlässig decken.
Dr. Scherber klärt auch über den Unterschied zwischen extrudiertem (klassischem) und kaltgepresstem Trockenfutter auf. Der Begriff "kaltgepresst" sei irreführend, da auch hier durch den hohen Druck Temperaturen von bis zu 100 °C entstehen. Ein potenzieller Nachteil bei kaltgepresstem Futter kann laut Dr. Scherber eine unzureichend aufgeschlossene Stärke sein, wenn die Kohlenhydratquellen nicht vorab hitzebehandelt wurden, was wiederum zu Verdauungsproblemen führen kann.
Häufige Mythen der Hundeernährung
Die Diskussion um die richtige Hundeernährung ist oft von Mythen und Ideologien geprägt. Dr. Scherber räumt mit den gängigsten auf:
- Mythos 1: Der Hund ist ein Wolf. Genetische Studien belegen, dass Hunde sich im Laufe der Domestikation angepasst haben und über deutlich mehr Gene zur Stärkeverdauung verfügen als Wölfe. Kohlenhydrate sind für sie eine gut nutzbare Energiequelle.
- Mythos 2: Futtermittelallergien sind weitverbreitet. Dr. Scherber beobachtet in der Praxis, dass viele diagnostizierte "Allergien", beispielsweise auf Rindfleisch, tatsächlich Unverträglichkeiten sind. Oft liegt die Ursache nicht im Fleisch selbst, sondern in schwer verdaulichen Kauartikeln wie Rinderhaut, die den Verdauungstrakt überlasten.
- Mythos 3: Nass- und Trockenfutter darf man nicht mischen. Diese Behauptung entbehrt laut Dr. Scherber jeder wissenschaftlichen Grundlage. Sie vergleicht es mit der absurden Vorstellung, ein Mensch dürfte sein Steak nicht zusammen mit einem Salat essen. Eine Mischfütterung ist unbedenklich.
Die Zukunft im Futternapf: Nachhaltige und innovative Proteinquellen
Ein zentraler Punkt des Gesprächs ist die Entwicklung neuer, nachhaltiger Futterkomponenten. Dr. Scherber stellt zwei innovative Proteinquellen vor, die Mera kürzlich in neuen Produkten eingeführt hat:
- Seidenraupenprotein: Dieses Insektenprotein ist ein Nebenprodukt der Seidenherstellung in Indien. Anstatt entsorgt zu werden, wird die protein- und fettreiche Puppe zu einem hochwertigen Rohstoff verarbeitet. Dieser Prozess ist CO2-arm und ressourcenschonend. Das Protein eignet sich hervorragend für sensible Hunde, da es eine neuartige Proteinquelle darstellt.
- Mikrobielles Protein: Diese Zutat ist weder tierisch noch pflanzlich. Sie wird durch einen Fermentationsprozess erzeugt, bei dem ein natürlich vorkommendes Bakterium (Methylococcus capsulatus) mithilfe von Methan und einer Nährlösung eine proteinreiche Biomasse bildet. Der Prozess ist extrem platz- und energiesparend. Studien zeigen, dass dieses Protein eine fleischähnliche Zusammensetzung hat und im Hund eine Darmflora fördert, die der bei einer fleischbasierten Ernährung sehr ähnlich ist.
Dr. Scherber sieht in solchen Innovationen eine Antwort auf die wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und eine Möglichkeit, den Fleischkonsum in der Tierernährung zu reduzieren, ohne Kompromisse bei der Qualität einzugehen.
Praktische Schritte zur Futterbewertung
Aus dem Gespräch mit Dr. Scherber lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen für dich als Hundebesitzer:in ableiten:
- Label prüfen: Achte immer auf die Kennzeichnung „Alleinfuttermittel“. Dies ist die wichtigste Grundlage für eine bedarfsdeckende Ernährung.
- Das große Ganze sehen: Bei Verdauungsproblemen oder Allergieverdacht, analysiere die gesamte Futterration. Oft sind es die Snacks, Kauartikel oder Tischreste, die Probleme verursachen, nicht das Hauptfutter.
- Mythen hinterfragen: Lass dich nicht von pauschalen Verboten wie „kein Getreide“ oder dem Vergleich mit dem Wolf verunsichern. Orientiere dich an der individuellen Verträglichkeit deines Hundes.
- Neugierig bleiben: Sei offen für neue, nachhaltige Futterkonzepte. Du musst nicht sofort komplett umstellen. Beginne damit, neue Futtersorten als Leckerli zu testen oder dein bisheriges Futter mit einer nachhaltigen Alternative zu mischen.