Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
Mehr über das Projekt Petcaster
In dieser Episode des Podcasts The Petfood Family ist Perdita Lübbe-Scheuermann zu Gast, eine der bekanntesten Hundefachfrauen Deutschlands. Mit 30 Jahren Erfahrung als zertifizierte Hundetrainerin, Verhaltensberaterin und Gründerin der Hundeakademie Darmstadt teilt sie tiefgreifende Einblicke in ihre Arbeit und ihre Lebensphilosophie. Das Gespräch spannt einen Bogen von ihrer persönlichen Entwicklung als Trainerin über ihre Tierschutzprojekte in Deutschland und Afrika bis hin zu ihrem Umgang mit gesellschaftlicher Kritik.
Die Episode beleuchtet, wie die Arbeit mit Hunden zu einem tieferen Verständnis für Lebewesen führen kann und wie persönliches Engagement, angetrieben von Mitgefühl und Entschlossenheit, eine enorme Wirkung entfalten kann. Es geht um die zentrale Frage, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen - für das eigene Tier, für Tiere in Not und für sich selbst in einer oft lauten und kritischen Welt.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Beziehung vor Perfektion: Perdita betont, dass nach dem Aufbau einer soliden Basis aus Vertrauen und klaren Regeln Gelassenheit wichtiger ist als stures Bestehen auf Kommandos. Eine gute Beziehung erlaubt mehr Entspannung im Zusammenleben.
- Grenzen sind ein Akt der Liebe: Ein klares und konsequentes „Nein“ ist für Hunde essenziell. Es bietet nicht nur Sicherheit und Struktur, sondern verhindert auch Verunsicherung und problematisches Verhalten, das aus Grenzenlosigkeit entstehen kann.
- Engagiere dich mit deiner Expertise: Anstatt nur Geld zu spenden, nutzt sie ihre einzigartigen Fähigkeiten im Hundetraining, um in Afrika Spürhunde für den Kampf gegen Wilderei auszubilden. Ein Appell, die eigenen Stärken für eine gute Sache einzusetzen.
- Aggression nicht persönlich nehmen: Ob bei Hunden oder Menschen - problematisches Verhalten ist selten ein persönlicher Angriff. Es ist entscheidend, die dahinterliegenden Bedürfnisse oder Nöte zu erkennen, anstatt emotional zu reagieren.
- Jeder Einzelne zählt: Inspiriert von der „Seestern-Geschichte“ vertritt sie die Überzeugung, dass es sich immer lohnt, für ein einzelnes Lebewesen zu kämpfen, auch wenn das Gesamtproblem überwältigend erscheint.
- Konstruktive Kritik annehmen, Destruktives ignorieren: Sie rät dazu, negative Kommentare in sozialen Medien nicht persönlich zu nehmen, da diese oft mehr über den Absender aussagen. Wichtig sei es, für berechtigte, konstruktive Kritik offen zu bleiben.
- Positive Energie erzeugen: Kleine Taten der Freundlichkeit, wie das Verschenken eines Seminarplatzes oder das Bezahlen eines Einkaufs für jemanden in Not, können eine Welle positiver Energie auslösen und andere inspirieren.
Von der taffen Trainerin zur Verfechterin von Beziehung und Würde
Perdita beschreibt ihre persönliche Entwicklung über die letzten 30 Jahre. Ursprünglich sei sie als „kerniger Mensch“ und Tochter eines Offiziers sehr „tough“ im Umgang mit Hunden gewesen, mit dem klaren Anspruch, dass diese „spuren“ müssen. Mit der Zeit und wachsender Erfahrung habe sich ihr Fokus jedoch verschoben. Heute stehe die Beziehung, das Vertrauen und die Würde des Tieres im Vordergrund. Zwar sei eine verlässliche Basis, auf der ein „Nein“ auch als solches akzeptiert wird, lebensrettend und stressreduzierend. Doch wenn diese Grundlage geschaffen ist, könne man entspannter werden. Sie erklärt, dass Hunde sie täglich Geduld lehren - eine ihrer größten persönlichen Herausforderungen. Man könne nicht „am Gras ziehen, damit es wächst“, und genauso wenig könne man einem Hund das eigene Tempo aufzwingen.
Wie Hundetraining im Kampf gegen Wilderei hilft
Eine tiefgreifende Veränderung erlebte Perdita in Afrika. Nach wiederholten Konfrontationen mit gewilderten Nashörnern war der Wendepunkt erreicht, als sie ein Nashorn-Baby neben seiner getöteten Mutter fand. Anstatt wegzusehen, beschloss sie zu handeln. Gemeinsam mit ihrem Mann gründete sie das Projekt „Rette das Nashorn“. Anstatt nur Geld zu spenden, dessen Verbleib ungewiss sei, entschieden sie sich, ihre Kernkompetenz zu nutzen: das Hundetraining. Sie bilden Spürhunde aus, die in Südafrika an den Toren zum Greater Kruger Nationalpark eingesetzt werden, um Fahrzeuge nach Nashorn-Horn, Elfenbein, Waffen und Munition zu durchsuchen. Perdita schildert, dass diese Arbeit nicht ungefährlich ist. Die Mitarbeitenden vor Ort müssen zum Schutz vor Wilderern anonym bleiben, und auch sie selbst meidet inzwischen bestimmte Gebiete. Trotz der Gefahren und der emotionalen Belastung ist Aufgeben für sie keine Option.
„Start ins neue Leben“: Eine Chance für schwierige Hunde
Ein weiteres Herzensprojekt ist „Start ins neue Leben“, das sich um Tierheimhunde mit ausgeprägtem Aggressions- und Beutefangverhalten kümmert. Perdita erklärt, dass sie sich bewusst dieser „Randgruppe“ widmet, weil diese Hunde oft von der Gesellschaft missverstanden und aufgegeben werden. Sie beobachtet, dass viele dieser Verhaltensprobleme nicht auf Misshandlung zurückzuführen sind, sondern auf ein „grenzenloses“ Leben ohne klare Regeln und Strukturen. Die Hunde hätten nie gelernt, ein „Nein“ zu akzeptieren. Das Projekt gibt diesen Tieren eine neue Chance, indem es ihnen die nötige Führung und Sicherheit vermittelt. Sie betont, dass sie das Verhalten der Hunde nicht persönlich nimmt und stattdessen die Bedürfnisse und Wünsche hinter der Aggression sieht.
Umgang mit Kritik und die Kraft der positiven Gemeinschaft
Perdita spricht offen über den Umgang mit öffentlicher Kritik, insbesondere in den sozialen Medien. Sie erzählt, wie schmerzhaft es sein kann, „durchs Dorf getrieben“ zu werden, aber sie habe gelernt, damit umzugehen. Ihr Ansatz ist, konstruktive Kritik anzunehmen und daraus zu lernen, während sie destruktive Angriffe und Trolle ignoriert, da diese oft aus dem eigenen Unglück der Kommentierenden entstehen. Sie plädiert für mehr Wohlwollen und Zusammenhalt in der Hundeszene und darüber hinaus. Statt sich gegenseitig zu bekämpfen, sei der „Kuchen groß genug für alle“. Ihre Leitphilosophie ist die Geschichte vom Seestern: Ein Mann kritisiert ein Mädchen, das einzelne Seesterne zurück ins Meer wirft, als sinnlos, da der ganze Strand voll davon sei. Sie hebt einen auf, wirft ihn zurück und sagt: „Für diesen lohnt es sich.“ Diese Haltung, im Kleinen einen Unterschied zu machen, prägt all ihre Projekte.
Praktische Lehren für den Alltag
- Etabliere zuerst die Basis: Bevor du im Alltag mit deinem Hund entspannt sein kannst, sorge dafür, dass er grundlegende Regeln und Grenzen versteht und respektiert. Diese Struktur schafft eine Vertrauensbasis.
- Beobachte deinen Hund ganzheitlich: Konzentriere dich nicht nur auf ein einzelnes Problemverhalten. Versuche, die wahren Charakterzüge und primären Triebe deines Hundes zu erkennen (z. B. Jagdinstinkt), um die Ursachen seines Handelns zu verstehen.
- Setze Grenzen mit Liebe und Konsequenz: Ein klares „Nein“ ist keine Bestrafung, sondern ein wichtiges Werkzeug, das deinem Hund Sicherheit, Orientierung und Verlässlichkeit im Zusammenleben gibt.
- Nimm Verhalten nicht persönlich: Das Verhalten deines Hundes ist eine Reaktion auf seine Umwelt oder seine inneren Triebe, kein persönlicher Affront gegen dich. Das Gleiche gilt für die Kritik von Mitmenschen.
- Handle positiv und inspirierend: Kleine, gute Taten können eine große Wirkung haben. Ob du jemandem hilfst oder dich für eine Sache einsetzt, die dir am Herzen liegt - positive Handlungen können andere motivieren, es dir gleichzutun.