Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In der HUNDESTUNDE-Episode „Rassehunde in Not“ spricht Moderatorin Conny Sporrer mit Nathalie Türffs, der ersten Vorsitzenden des Vereins Ridgeback in Not e.V. Gemeinsam beleuchten sie ein oft übersehenes Thema im Tierschutz: Warum auch reinrassige Hunde ein neues Zuhause suchen müssen und wie eine nachhaltige und verantwortungsvolle Vermittlung funktioniert.
Die Episode liefert tiefe Einblicke in die Gründe für die Abgabe, den aufwendigen Vermittlungsprozess und die emotionalen Herausforderungen für alle Beteiligten. Sie richtet sich an alle Hundefreunde, insbesondere an jene, die eine bestimmte Rasse im Sinn haben, und zeigt auf, dass der Weg zum Wunschhund auch über den Tierschutz führen kann. Die zentrale Frage lautet: Wie stellt man sicher, dass ein „Second-Hand-Hund“ wirklich das passende Zuhause für immer findet?
Das Wichtigste auf einen Blick
- Vielfältige Abgabegründe: Rassehunde landen nicht nur wegen Verhaltensproblemen im Tierschutz. Häufige Gründe sind persönliche Notlagen wie Scheidung, Todesfälle oder eine Überforderung der Halter, oft aufgrund des Alters oder einer falschen Einschätzung der Rasse.
- Der Mythos vom Züchter: Die Annahme, dass seriöse Züchter ihre Hunde immer zurücknehmen, trifft in der Realität oft nicht zu. Nathalie erklärt, dass viele der abgegebenen Hunde nicht aus seriösen Zuchten stammen.
- Individuelle Vermittlung ist entscheidend: Statt pauschaler Bewerbungen wird Wert darauf gelegt, dass sich Interessenten für einen konkreten Hund bewerben. Jeder Hund wird individuell betrachtet, um das perfekte „Match“ zwischen den Bedürfnissen des Tieres und den Lebensumständen der neuen Halter zu finden.
- Professionelle Einschätzung als Basis: Bevor ein Hund vermittelt wird, wird er von einem externen Trainer vor Ort eingeschätzt. Dies stellt sicher, dass die Beschreibung des Hundes objektiv ist und nicht nur auf den subjektiven Angaben der Vorbesitzer beruht.
- Emotionale Herausforderung für alle: Die Vermittlung ist ein emotionaler Prozess, sowohl für die abgebende Familie als auch für die neuen Halter, die oft das Gefühl haben, ein geliebtes Familienmitglied „wegzunehmen“.
- Kooperation statt Konkurrenz: Nathalie wünscht sich mehr Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen Tierschutzorganisationen, um Hunden effektiver helfen zu können, statt in einem Konkurrenzdenken zu verharren.
- Der Appell an Suchende: Wer einen Hund sucht - egal ob Rassehund oder Mischling - sollte immer zuerst im Tierschutz schauen. Für fast jede Rasse gibt es spezialisierte Notvereine.
Wer ist Nathalie Türffs und was fasziniert sie an Ridgebacks?
Nathalie kam eher zufällig zu Hunden und speziell zu Rhodesian Ridgebacks. Ihr erster Kontakt war der ältere Rüde ihres Mannes, der sie anfangs nicht ausstehen konnte. Durch Geduld, Training und Beschäftigung gewann sie sein Herz und entdeckte ihre Faszination für diese Rasse. Sie beschreibt Ridgebacks als intelligente, sensible und oft skeptische Hunde ohne ausgeprägten „Will to Please“. Eine Entscheidung werde von ihnen hinterfragt, was Training zu einer besonderen Herausforderung mache. Hat man sie jedoch einmal „geknackt“, seien sie ultra treue und verschmuste Begleiter. Ihre eigenen Hunde sind ebenfalls „Second-Hand-Ridgebacks“, was ihre persönliche Erfahrung und Leidenschaft für das Thema unterstreicht.
Die wahren Gründe warum Rassehunde im Tierschutz landen
Entgegen der landläufigen Meinung sind es nicht nur „Problemhunde“, die ein neues Zuhause suchen. Nathalie stellt klar, dass die Gründe extrem vielfältig sind. Oft handelt es sich um top erzogene Hunde, die unverschuldet in Not geraten.
- Persönliche Krisen: Scheidung und Todesfälle sind die häufigsten Gründe. Die Lebensumstände der Halter ändern sich so drastisch, dass der Hund nicht bleiben kann.
- Überforderung: Insbesondere ältere Menschen, die sich im Ruhestand noch einen Welpen anschaffen, unterschätzen oft die Energie und Kraft, die ein junger Ridgeback mit sich bringt.
- Falsche Vorstellungen: Manche Menschen unterschätzen die rassetypischen Eigenschaften. Der anfangs tapsige Welpe entwickelt sich zu einem starken, eigensinnigen Hund, dem die Familie nicht gewachsen ist.
- Fehlende seriöse Zucht: Ein wichtiger Punkt, den Nathalie hervorhebt, ist, dass viele Hunde nicht aus verantwortungsvollen Zuchten stammen. Die Klausel, dass ein Züchter den Hund zurücknimmt, existiert bei vielen „Vermehrern“ oder unbedachten Würfen aus dem Ausland nicht.
Bei Ridgeback in Not e.V. landen daher Hunde jeden Alters - vom Junghund bis zum Senior - mit und ohne Verhaltensauffälligkeiten.
Der Vermittlungsprozess: Mehr als nur ein Inserat
Um eine nachhaltige Vermittlung zu gewährleisten, bei der der Hund nicht erneut sein Zuhause verliert, folgt der Verein einem strengen und mehrstufigen Prozess. Nathalie betont, wie wichtig es ist, sich nicht allein auf die Aussagen der abgebenden Halter zu verlassen, da diese Probleme wie Futteraggression oder Unverträglichkeiten oft beschönigen.
- Detaillierter Fragebogen: Die aktuellen Halter füllen einen umfassenden Fragebogen zum Hund aus.
- Externe Trainer-Einschätzung: Ein professioneller Hundetrainer aus dem Netzwerk des Vereins besucht den Hund in seinem gewohnten Umfeld. Er beurteilt das Verhalten gegenüber Fremden, bei Hundebegegnungen und in alltäglichen Situationen. Dies liefert eine objektive Grundlage für die Vermittlungsbeschreibung.
- Prüfung der Interessenten: Bewerber füllen ebenfalls einen Fragebogen aus und führen intensive Telefonate mit den Vermittlern. Hier wird geprüft, ob die Erwartungen und Lebensumstände zum jeweiligen Hund passen.
- Vorkontrolle: Eine Person aus dem Verein besucht die potenziellen neuen Halter zu Hause, um sicherzustellen, dass die Angaben korrekt sind und das Umfeld für den Hund geeignet ist.
- Persönliches Kennenlernen: Passt alles, wird der Kontakt zwischen den alten und neuen Besitzern hergestellt. Sie können sich austauschen und ein Treffen vereinbaren, damit sich Mensch und Hund beschnuppern können.
Dieser sorgfältige Prozess dient dem Schutz des Tieres und stellt sicher, dass die Vermittlung eine hohe Erfolgschance hat.
Die menschliche Seite der Vermittlung: Zwischen Trauer und Hoffnung
Conny und Nathalie sprechen auch über die enorme emotionale Belastung, die eine Hundevermittlung für alle Beteiligten bedeutet. Viele abgebende Familien treffen die Entscheidung schweren Herzens und unter Tränen, weil sie dem Hund nicht mehr gerecht werden können. Der ideale Vermittlungsweg - direkt vom alten ins neue Zuhause - bringt eine besondere Herausforderung mit sich: Die neuen Halter treffen auf die trauernde Familie. Nathalie berichtet, dass manche Interessenten diesen emotionalen Druck nicht aushalten und absagen, weil sie das Gefühl haben, „den Hund wegzunehmen“. Diese Arbeit erfordert von den ehrenamtlichen Vermittlern daher nicht nur Hundeverstand, sondern vor allem ein hohes Maß an Empathie und Menschenkenntnis.
Kooperation im Tierschutz und die Finanzierung
Ein persönliches Anliegen von Nathalie ist die stärkere Vernetzung im Tierschutz. Sie kritisiert, dass viele Organisationen sich als Konkurrenten sehen und Hilfsangebote, wie etwa Vermittlungshilfe für einen Rassehund im Tierheim, blockieren. Ihr Wunsch wäre ein Miteinander, bei dem das Wohl des Tieres über dem Ego des Vereins steht. Der Verein finanziert sich ausschließlich durch Spenden und die Schutzgebühr von 400 Euro pro Hund. Dieses Geld deckt bei Weitem nicht alle Kosten, insbesondere nicht die für Hunde auf teuren Pensions- oder Dauerpflegestellen, die aufgrund ihres Alters oder Verhaltens nicht mehr vermittelbar sind.
Praktische Schritte: So kannst Du helfen oder einen Hund finden
Nathalie gibt klare Hinweise, wie Du den Verein unterstützen oder selbst einen Hund aus dem Tierschutz adoptieren kannst:
- Schau im Tierschutz: Wenn Du einen Hund suchst, auch einen Rassehund, schau gezielt auf den Seiten von spezialisierten Notvereinen wie Ridgeback in Not e.V.
- Bewerbe Dich gezielt: Lies die Beschreibungen der Hunde sorgfältig durch und bewirb Dich auf ein Tier, dessen Bedürfnisse Du erfüllen kannst. Sei ehrlich in Deinen Angaben.
- Sei offen und flexibel: Auch wenn Du schon Erfahrung mit einer Rasse hast, ist jeder Hund ein Individuum. Sei bereit, dazuzulernen und Dich auf die speziellen Bedürfnisse Deines neuen Familienmitglieds einzulassen.
- Unterstütze als Pflegestelle: Der Verein sucht immer wieder gezielt Pflegestellen für bestimmte Hunde in Not. Die Kosten dafür werden vom Verein getragen. Die Aufrufe findest Du auf den Social-Media-Kanälen.
- Spenden und Fördermitgliedschaften: Da sich der Verein ausschließlich über Spenden finanziert, ist jede finanzielle Unterstützung wertvoll, um die Versorgung der Hunde zu sichern.