Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In der sechsten Folge des Podcasts napfcheck taucht die Fachtierärztin für Tierernährung, Dr. Julia Fritz, gemeinsam mit der Fachjournalistin Manuela Bauer tief in das kontroverse Thema der Rohfütterung, bekannt als BARF, ein. Die Episode beleuchtet die Ursprünge, die vermeintlichen Vorteile und die erheblichen Risiken dieser Fütterungsmethode.
Ziel der Diskussion ist es, Hundebesitzern eine fundierte, wissenschaftlich basierte Entscheidungsgrundlage zu bieten. Es wird die zentrale Frage behandelt, wie eine Rohfütterung sicher und bedarfsdeckend gestaltet werden kann und für welche Hunde und Haushalte sie möglicherweise ungeeignet ist.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Vorteile vs. Risiken: BARF bietet Vorteile wie hohe Verdaulichkeit und volle Kontrolle über die Zutaten. Dem stehen jedoch erhebliche Risiken gegenüber, allen voran hygienische Gefahren durch Krankheitserreger und die Gefahr einer Nährstoff-Mangelernährung.
- Hygiene ist entscheidend: Rohes Fleisch kann mit Keimen wie Salmonellen, Listerien oder multiresistenten Bakterien kontaminiert sein. Dr. Fritz warnt eindringlich vor dem Übertragungsrisiko auf den Menschen, insbesondere auf Risikogruppen wie Kleinkinder, Schwangere, ältere oder immungeschwächte Personen.
- Welpen sind eine Risikogruppe: Fütterungsfehler während des Wachstums können laut Dr. Fritz zu schweren und bleibenden gesundheitlichen Schäden führen, etwa zu Skelettfehlentwicklungen durch ein falsches Kalzium-Verhältnis oder einen Vitamin-D-Mangel.
- Das "Beutetierschema" allein reicht oft nicht: Eine typische BARF-Ration, die ein Beutetier nachahmt, deckt nicht automatisch den gesamten Nährstoffbedarf. Oft fehlen kritische Nährstoffe wie Jod, Zink, Mangan und Vitamin D, die gezielt ergänzt werden müssen.
- Fachliche Beratung ist essenziell: Dr. Fritz empfiehlt dringend, insbesondere bei Welpen, Senioren oder kranken Hunden, eine professionelle Rationsberechnung durch qualifizierte Fachtierärzte für Tierernährung erstellen zu lassen, um eine ausgewogene Versorgung sicherzustellen.
- Knochenfütterung birgt Gefahren: Obwohl das Kauen an Knochen die Zähne mechanisch reinigen kann, besteht immer das Risiko von Zahnfrakturen, Verletzungen im Magen-Darm-Trakt oder lebensgefährlichen Verstopfungen (Knochenkot).
- Abwechslung ist kein Muss: Die Annahme, man müsse Fleischsorten ständig wechseln, ist ein Mythos. Laut Dr. Fritz sind die Nährstoffprofile von Muskelfleisch verschiedener Tierarten sehr ähnlich. Eine gut konzipierte, gleichbleibende Ration ist völlig ausreichend.
Ursprung und Philosophie des BARFens
Dr. Julia Fritz erklärt, dass das Konzept der Rohfütterung in den 1990er Jahren vom australischen Tierarzt Ian Billinghurst populär gemacht wurde. Seine ursprüngliche Idee war es, Hunde wieder naturnäher zu ernähren, als Reaktion auf die damalige Qualität industrieller Futtermittel. In Deutschland erhielt die Methode durch die Übersetzung von "Bones and Raw Food" zu "Biologisch Artgerechtes Rohes Futter" (BARF) eine stark emotional und ideologisch aufgeladene Bedeutung. Der Begriff "artgerecht" suggeriere, so Dr. Fritz, dass andere Fütterungsmethoden per se nicht artgerecht seien, obwohl dieser Begriff rechtlich gar nicht klar definiert ist.
Die Kernphilosophie des BARFens beruht auf der Nachahmung der Ernährung des Wolfes. Dr. Fritz gibt jedoch zu bedenken, dass der moderne Haushund ("Sofawolf") unter völlig anderen Bedingungen lebt, eine deutlich höhere Lebenserwartung hat und somit andere ernährungsphysiologische Anforderungen stellt als sein wilder Vorfahre.
Vorteile und häufig genannte positive Effekte
Die Fütterungsmethode bietet laut Dr. Fritz einige nachvollziehbare Vorteile. Ein zentraler Punkt ist die Kontrolle über die Inhaltsstoffe, was besonders bei Hunden mit Allergien oder Unverträglichkeiten vorteilhaft ist. Weitere positive Aspekte sind:
- Hohe Verdaulichkeit: Frische, rohe Zutaten sind hochverdaulich. Dies führt oft zu einer geringeren Kotmenge und einer festen Kotkonsistenz. Dr. Fritz erläutert, dass bereits ein Unterschied von 10 % in der Verdaulichkeit die Kotmenge verdoppeln kann, was den oft beobachteten Effekt bei der Umstellung erklärt.
- Fellqualität: BARF-Rationen enthalten oft einen hohen Anteil an tierischen und pflanzlichen Fetten, die reich an essenziellen Fettsäuren wie Linolsäure sind. Dies führt häufig zu einem glänzenden Fell. Derselbe Effekt kann jedoch auch durch die Ergänzung von Ölen bei anderen Fütterungsarten erzielt werden.
- Zahnhygiene: Das intensive Kauen an rohen, fleischigen Knochen kann zur mechanischen Reinigung der Zähne beitragen. Dr. Fritz betont jedoch, dass dieser Effekt auch mit anderen sicheren Kauartikeln erreicht werden kann und die Risiken der Knochenfütterung nicht zu unterschätzen sind.
Die zentralen Risiken: Hygiene und Nährstoffmängel
Trotz der Vorteile warnt Dr. Fritz eindringlich vor zwei Hauptgefahren des BARFens, die sie in ihrer Praxis häufig beobachtet:
1. Hygienische Risiken: Rohes Fleisch ist eine potenzielle Quelle für Bakterien (z. B. Salmonellen, Listerien) und multiresistente Keime. Diese stellen nicht nur für den Hund, sondern vor allem für den Menschen eine Gefahr dar. Dr. Fritz hebt hervor, dass Haushalte mit Kleinkindern, Schwangeren, älteren oder immungeschwächten Personen auf die Rohfütterung verzichten sollten. Aus diesem Grund dürfen auch Therapiehunde nicht gebarft werden. Der Hund selbst muss nicht erkranken, kann aber zum Überträger werden.
2. Nährstoff-Ungleichgewichte: Viele selbst zusammengestellte BARF-Rationen sind nicht bedarfsdeckend. Besonders kritisch ist dies bei Welpen und Junghunden. Ein Mangel oder Überschuss an Nährstoffen wie Kalzium, Phosphor oder Vitamin D kann im Wachstum zu irreversiblen Skelettschäden führen. Dr. Fritz rät, Welpen mindestens bis zum Alter von 12 Monaten entweder mit einem hochwertigen kommerziellen Welpenfutter zu ernähren oder die BARF-Ration von einem Fachtierarzt für Tierernährung erstellen und regelmäßig anpassen zu lassen.
Der korrekte Aufbau einer BARF-Ration: Zwei Konzepte
Dr. Fritz stellt zwei grundlegende Herangehensweisen zur Rationserstellung vor:
- Das Beutetierschema: Dieses verbreitete Modell versucht, die Zusammensetzung eines Beutetiers nachzubauen. Eine typische Ration besteht zu 70 - 80 % aus tierischen Anteilen (Muskelfleisch, Pansen, Innereien, fleischige Knochen) und zu 20 - 30 % aus pflanzlichen Anteilen (Gemüse, Obst). Obwohl dieses Schema eine gute Grundlage darstellt, deckt es laut Dr. Fritz oft nicht den Bedarf an Spurenelementen (Jod, Kupfer, Zink, Mangan) und Vitaminen (insb. Vitamin D).
- Das Baukastenprinzip: Dieser wissenschaftliche Ansatz, den Dr. Fritz in ihrer Praxis anwendet, basiert auf dem individuell berechneten Nährstoffbedarf des Hundes. Die Ration wird modular aus verschiedenen Komponenten (Proteinquellen, Energieträger, Fette, Öle, Gemüse/Obst und gezielte Ergänzungen) zusammengestellt, um eine exakte Bedarfsdeckung zu gewährleisten.
Unabhängig vom gewählten Konzept sind oft Ergänzungen notwendig, z. B. Seealgenmehl für Jod, Lebertran für Vitamin D und A sowie spezifische Spurenelement-Mischungen.
Praktische Schritte zur sicheren Rohfütterung
Für alle, die sich für das BARFen entscheiden, leitet Dr. Fritz aus der Diskussion konkrete Handlungsempfehlungen ab:
- Risiko im Haushalt bewerten: Stelle sicher, dass keine immungeschwächten Personen, Kleinkinder oder Schwangere im Haushalt leben, bevor du mit der Rohfütterung beginnst.
- Qualifizierte Beratung suchen: Lass eine bedarfsdeckende Ration von einem Fachtierarzt für Tierernährung oder einem nachweislich qualifizierten Berater erstellen. Dies ist besonders bei Welpen, kranken oder alten Hunden unerlässlich.
- Strikte Küchenhygiene einhalten: Nutze für das rohe Fleisch separate Küchenutensilien (Bretter, Messer), lagere es getrennt von Lebensmitteln für den Menschen und reinige alle Oberflächen sowie Hände gründlich nach der Zubereitung.
- Gezielt Nährstoffe ergänzen: Eine BARF-Ration ist selten ohne Zusätze komplett. Ergänze gezielt Nährstoffe wie Jod, Zink, Mangan und die Vitamine D und E nach einem professionellen Plan.
- Vorsicht bei der Knochenfütterung: Wenn du Knochen fütterst, wähle weiche, fleischige Varianten (z. B. Hühnerhälse, Rippen) und vermeide harte, tragende Knochen. Beaufsichtige deinen Hund dabei immer und sei dir der Risiken (Verletzungen, Verstopfung) bewusst.
- Wachstum von Welpen überwachen: Bei gebarften Welpen ist die regelmäßige Kontrolle der Wachstumskurve entscheidend, um ein zu schnelles Wachstum oder eine Mangelversorgung frühzeitig zu erkennen.
In dieser Episode erwähnt
- Buch: "Hunde barfen" von Dr. Julia Fritz, erschienen im Ulmer Verlag.
- Online-Tools: Auf der Webseite www.napfcheck.de finden sich ein BARF-Rationsrechner, ein Futterkostenrechner sowie ein Seealgenrechner.
- Weitere Ressourcen: Die Webseite futter-rechner.de, ebenfalls von Napfcheck, bietet weitere Tools.
- Podcast-Folge: napfcheck Folge 1 zur Welpenfütterung.