Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts napfcheck widmet sich die Fachtierärztin für Tierernährung, Dr. Julia Fritz, im Gespräch mit der Fachjournalistin Manuela Bauer einem der drängendsten Gesundheitsprobleme bei Haustieren: Übergewicht. Die Episode beleuchtet die erschreckend hohe Verbreitung von Adipositas, analysiert die vielfältigen Ursachen und räumt mit gängigen Mythen rund um Diätfutter auf.
Das zentrale Thema ist, wie Tierhalter Übergewicht erkennen, effektiv bekämpfen und vor allem vorbeugen können. Die Episode richtet sich an alle Hunde- und Katzenbesitzer, die die Gesundheit und Lebensqualität ihrer Tiere langfristig sichern wollen, und liefert evidenzbasierte Fakten sowie praxisnahe Lösungsansätze für ein Problem, das oft aus falsch verstandener Liebe entsteht.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Ein flächendeckendes Problem: Laut Dr. Fritz ist in Deutschland fast jedes zweite Haustier übergewichtig. Viele Besitzer erkennen das Problem aufgrund der schleichenden Entwicklung und einer veränderten Wahrnehmung jedoch nicht.
- Übergewicht ist eine Krankheit: Es handelt sich nicht um einen Schönheitsfehler, sondern um eine ernstzunehmende Erkrankung, die die Lebenserwartung um bis zu zwei Jahre verkürzen und zu Folgeerkrankungen wie Arthrose, Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen führen kann.
- Der Halter ist der Schlüssel: Da Tiere nicht selbst den Kühlschrank öffnen, liegt die Verantwortung für die Fütterungsmenge und -art vollständig beim Menschen. Eine erfolgreiche Gewichtsabnahme ist laut Dr. Fritz bei jedem Tier möglich, wenn der Besitzer konsequent mitmacht.
- Kalorienbilanz statt Sportwahn: Die Ernährung ist der entscheidende Hebel zur Gewichtsreduktion. Eine Erhöhung der Bewegung ist zwar unterstützend, ihr Effekt auf den Kalorienverbrauch wird aber oft überschätzt.
- Vorsicht bei „Light“-Produkten: Der Begriff „Light“ ist nicht geschützt. Solche Futter haben oft nur geringfügig weniger Kalorien und können ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln. Eine fettreduzierte Ration ist wirksamer als der Verzicht auf Kohlenhydrate.
- Leckerlis sind die Hauptfalle: Snacks und Kauartikel sind oft so kalorienreich wie Trockenfutter. Sie müssen in die Tagesration eingerechnet werden. Kalorienarme Alternativen (z. B. Gurke) oder das Zerkleinern von Leckerlis in winzige Stücke sind effektive Strategien.
- Kontrolle ist entscheidend: Regelmäßiges Wiegen (mindestens vierteljährlich, besser monatlich) und die Beurteilung des Body Condition Score (BCS) sind unerlässlich, um frühzeitig gegensteuern zu können.
Ein unterschätztes Problem: Die Epidemie des Übergewichts
Dr. Julia Fritz und Manuela Bauer eröffnen die Diskussion mit alarmierenden Zahlen: Aktuellen Studien zufolge sind etwa 47 % aller Katzen und 44 % aller Hunde in Deutschland zu dick. Dr. Fritz fasst zusammen, dass man davon ausgehen kann, dass fast jedes zweite Haustier betroffen ist. Ein zentrales Problem sei die Wahrnehmung der Besitzer. Da die Gewichtszunahme schleichend erfolgt und man sein Tier täglich sieht, fällt sie oft nicht auf. Dr. Fritz nennt dieses Phänomen „kognitive Dissonanz“: Man redet sich das Problem schön, indem man das Tier als „gemütlich“ oder „kräftig gebaut“ bezeichnet, anstatt die Gesundheitsrisiken anzuerkennen.
Sie betont, dass Liebe durch den Magen ein starker emotionaler Faktor ist, der zur Überfütterung beiträgt. Letztlich liegt die Verantwortung jedoch allein beim Menschen, der die Futtermenge kontrolliert und entscheidet, wie viel Bewegung das Tier bekommt.
Die Ursachen: Von Kastration bis zu versteckten Kalorien
Die grundlegende Ursache für Übergewicht ist eine positive Energiebilanz: Das Tier nimmt mehr Kalorien auf, als es verbraucht. Dr. Fritz identifiziert mehrere Schlüsselfaktoren, die dies begünstigen:
- Kastration: Sie ist ein wesentlicher Risikofaktor. Durch die hormonelle Umstellung sinkt der Energiebedarf um 20 bis 30 %, während gleichzeitig der Appetit steigen kann. Dr. Fritz empfiehlt, die Futtermenge nach einer Kastration proaktiv zu reduzieren.
- Alter: Ältere Hunde neigen zu einer Abnahme der Muskelmasse und einer Verlangsamung des Stoffwechsels, was zu einer Gewichtszunahme führt. Bei älteren Katzen ist es oft umgekehrt; sie neigen eher zum Abnehmen.
- Leckerlis und Kauartikel: Dies ist eine der größten Kalorienfallen. Besitzer unterschätzen systematisch den Energiegehalt von Snacks. Dr. Fritz stellt klar, dass viele getrocknete Kauartikel (z. B. Rinderlunge) oder Leckerlis eine ähnliche Kaloriendichte wie Trockenfutter haben.
- Fehleinschätzung von Futter: Manche vermeintlich gesunden Zusätze wie Maronenmehl oder Schmelzflocken sind reine Kohlenhydrat- und damit Kalorienlieferanten. Auch das beliebte Argument „Geflügel ist mager“ trifft auf verarbeitete Produkte wie Geflügelfleischwurst nicht zu, die sehr fettreich sein kann.
Futter-Mythen und Diät-Strategien
Die Diskussion wendet sich den richtigen Ernährungsstrategien während einer Diät zu. Dr. Fritz klärt über gängige Missverständnisse auf:
- „Light“-Futter: Der Begriff ist nicht gesetzlich geschützt und bedeutet oft nur eine Kalorienreduktion von 10 - 15 % im Vergleich zu anderen Produkten desselben Herstellers. Ein „Light“-Futter kann daher mehr Kalorien enthalten als ein normales Futter einer anderen Marke. Es kann zur Gewichtserhaltung nach einer Diät nützlich sein, ist aber zur aktiven Gewichtsabnahme oft nicht ausreichend.
- Kohlenhydrate vs. Fett: Entgegen dem populären Trend sind nicht Kohlenhydrate der Hauptfeind. Fett enthält, so Dr. Fritz, doppelt so viele Kalorien wie Kohlenhydrate oder Proteine. Eine fettreduzierte Diät ist daher am effektivsten. Proteine sind während der Diät wichtig, um den Abbau von Muskelmasse zu verhindern, da Muskeln die Hauptkalorienverbrenner des Körpers sind.
- Spezielle Diätfuttermittel: Sogenannte tierärztliche Reduktionsdiäten sind so konzipiert, dass sie trotz eines stark reduzierten Kaloriengehalts alle notwendigen Nährstoffe (Vitamine, Mineralstoffe, Proteine) in konzentrierter Form enthalten. Dies verhindert Mangelerscheinungen, die bei einer einfachen Reduzierung des normalen Futters auftreten können. Zusätzlich enthalten sie oft viele Ballaststoffe (z. B. Zellulose), um das Volumen zu erhöhen und die Sättigung zu fördern.
Die gesundheitlichen Folgen von Adipositas
Dr. Fritz stellt unmissverständlich klar, dass Übergewicht kein ästhetisches, sondern ein medizinisches Problem ist. Das Fettgewebe ist stoffwechselaktiv und schüttet Entzündungsmediatoren aus, die den gesamten Körper belasten. Zu den gravierendsten Folgen gehören:
- Verkürzte Lebenserwartung: Eine Langzeitstudie an Labradoren zeigte, dass übergewichtige Hunde eine um bis zu 20 % (ca. zwei Jahre) kürzere Lebenserwartung haben.
- Gelenkerkrankungen: Arthrose ist eine der häufigsten und schmerzhaftesten Folgen, da die Gelenke permanent überlastet werden.
- Stoffwechselerkrankungen: Bei Katzen ist Übergewicht der Hauptrisikofaktor für Diabetes mellitus. Eine Gewichtsabnahme kann hier sogar zu einer Remission der Krankheit führen.
- Weitere Risiken: Ein erhöhtes Narkoserisiko, eine höhere Anfälligkeit für Tumore sowie Herz-Kreislauf-Probleme sind weitere belegte Konsequenzen.
Die Lebensqualität der Tiere leidet massiv: Sie sind weniger bewegungsfreudig, haben Schmerzen und können sogar Verhaltensänderungen wie Aggressivität zeigen, um sich vor schmerzhaften Kontakten zu schützen.
Praktische Schritte zur Gewichtsreduktion
Dr. Fritz gibt eine klare, handlungsorientierte Anleitung für eine erfolgreiche und gesunde Gewichtsabnahme:
- Zustand beurteilen: Lerne, den Body Condition Score (BCS) deines Tieres zu beurteilen. Die Rippen sollten unter leichtem Druck spürbar sein, von oben muss eine Taille erkennbar sein, und die Bauchlinie sollte von der Seite betrachtet ansteigen.
- Regelmäßig wiegen: Wiege dein Tier mindestens einmal im Monat unter den gleichen Bedingungen (gleiche Waage, nüchtern). Nur so kannst du den Fortschritt objektiv verfolgen. Für Katzen empfiehlt sich eine Babywaage, die auf 10 Gramm genau misst.
- Realistische Ziele setzen: Eine gesunde Gewichtsabnahme beträgt 1 - 2 % des aktuellen Körpergewichts pro Woche. Radikaldiäten sind gefährlich und führen zum Jojo-Effekt.
- Fütterung anpassen: Reduziere die Kalorienzufuhr auf etwa 60 % des Bedarfs. Nutze dafür am besten ein spezielles Diätfutter vom Tierarzt oder lasse dir eine individuelle Ration von einem Experten berechnen, um Nährstoffmängel zu vermeiden.
- Alle Kalorienquellen erfassen: Führe ein Futtertagebuch und notiere alles, was dein Tier frisst - auch das kleinste Leckerli oder den Rest vom Tisch.
- Leckerlis clever managen: Streiche Snacks nicht komplett, sondern ersetze sie durch kalorienarme Alternativen (z. B. Gurkenstücke, Karotten) oder ziehe ihre Kalorien von der Hauptmahlzeit ab. Eine weitere Taktik: Ein Leckerli in viele winzige Stücke teilen. Der Hund reagiert auf die Häufigkeit der Belohnung, nicht auf die Größe.
- Sättigung fördern: Erhöhe das Futtervolumen durch Zugabe von Wasser (bei Trockenfutter) oder kalorienfreien Ballaststoffen wie Futterzellulose oder Flohsamenschalen.
- Langfristig planen: Nach erfolgreicher Abnahme benötigt das Tier dauerhaft weniger Futter als vor der Diät, um das Gewicht zu halten. Der Jojo-Effekt ist auch bei Tieren ein reales Risiko.