Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
Mehr über das Projekt Petcaster
In dieser Episode des Podcasts The Petfood Family spricht Moderator Jan Dießner mit Victoria Müller - einer Frau, die als Moderatorin, Bestsellerautorin, Aktivistin und Gründerin eines Lebenshofes viele Rollen vereint. Mit beeindruckender Offenheit teilt sie ihren Weg, der sie von der Punk-Szene über die Medienwelt bis hin zu Tierschutz-Einsätzen an der ukrainischen Front geführt hat.
Im Zentrum des Gesprächs stehen die tiefgreifenden ethischen Entscheidungen, die ihr Leben prägen, die ungeschönte Realität hinter der Gründung eines Lebenshofes und der Mut, der nötig ist, um konsequent für die eigenen Überzeugungen einzustehen. Diese Folge richtet sich an alle, die verstehen wollen, was es wirklich bedeutet, ein Leben dem Tierschutz zu widmen - mit all seinen Herausforderungen, Gefahren und erfüllenden Momenten.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Der Weg zum Veganismus: Victorias Entscheidung, vegan zu leben, wurzelt in der Erkenntnis, dass auch die Milch- und Eierindustrie mit Tierleid verbunden ist - eine Konsequenz, die sie vor 14 Jahren zog.
- Vegane Kinderernährung als Tabu: Sie berichtet von massivem Gegenwind und sogar Drohungen mit dem Jugendamt, weil sie plant, ihr Kind vegan zu ernähren, was zeigt, wie tief gesellschaftliche Vorurteile sitzen.
- Die Realität eines Lebenshofes: Die Gründung ihres Hofes „Wilder Spreewald“ ist kein romantischer Traum, sondern ein Kampf mit Bürokratie, finanziellen Risiken und strengen behördlichen Auflagen wie der Schweinehalterhygiene-Verordnung.
- Tierschutz an der Front: Gemeinsam mit ihrem Verein war Victoria bis zu ihrer Schwangerschaft in der Ukraine im Einsatz, um Tiere aus direkten Kampfzonen zu evakuieren - eine Arbeit, die extrem gefährlich ist und tiefe psychische Spuren hinterlässt.
- Tiere als Individuen: Die tägliche Arbeit auf dem Hof hat ihr eindrücklich gezeigt, dass sogenannte Nutztiere wie Schweine, Schafe und Enten genauso individuelle Persönlichkeiten und Bedürfnisse haben wie Hunde oder Katzen.
- Verantwortungsvoller Tierschutz: Victoria betont, dass echter Tierschutz bedeutet, Entscheidungen mit Kopf und Herz zu treffen. Nicht jedes Tier kann oder sollte gerettet und in ein häusliches Umfeld gezwungen werden.
Vom persönlichen Antrieb zur gesellschaftlichen Mission
Victoria Müllers Engagement für Tiere begann früh. Schon als Teenagerin in der Punk-Szene politisch aktiv, entwickelte sie ein starkes Gespür für Ungerechtigkeit. Ihr Weg zur veganen Lebensweise war ein Prozess der Aufklärung. Nachdem sie bereits aus ethischen Gründen auf Fleisch verzichtete, führte sie ein Video über das Schreddern männlicher Küken in der Eierindustrie zu einer radikalen Entscheidung. Innerhalb einer halben Stunde war für sie klar, dass sie keine tierischen Produkte mehr konsumieren würde. Damals, so erzählt sie, war dies noch keine gesellschaftlich etablierte Ernährungsform und das Angebot an veganen Produkten minimal - eine Zeit, in der man sich über Oreo-Kekse als „zufällig veganen“ Fund freute.
Ihre Überzeugung gibt sie heute weiter, stößt dabei aber auf heftigen Widerstand, besonders seit sie Mutter geworden ist. Die Ankündigung, ihr Kind vegan zu ernähren, löste eine Welle der Empörung aus. Ihr wurde Kindeswohlgefährdung vorgeworfen, und Menschen drohten, das Jugendamt einzuschalten. Victoria erklärt, dass dieser Hass oft aus einem Gefühl des persönlichen Angriffs entsteht, da eine vegane Lebensweise tief verankerte gesellschaftliche Normen und Gewohnheiten infrage stellt.
Der Lebenshof „Wilder Spreewald“: Ein Traum mit harten Regeln
Der Kauf eines 200 Jahre alten Pfarrhauses im Spreewald war der Startschuss für die Verwirklichung ihres Lebenstraums: einen eigenen Lebenshof zu gründen. Doch der Weg dorthin war alles andere als einfach. Nach der Trennung von ihrem Partner übernahm sie das Projekt allein, zog in einen Bauwagen auf der Baustelle und sanierte das Haus, während die ersten Tiere - sechs Enten aus der Mast - bereits einzogen. Victoria beschreibt diese Zeit als Sprung ins kalte Wasser, getragen von Ehrgeiz und einer „Prise Beklopptheit“.
Sie macht deutlich, dass ein Lebenshof weit mehr ist als die Pflege von Tieren. Es ist ein Unternehmen, das einem komplexen Regelwerk unterliegt. Von der Anmeldung eines landwirtschaftlichen Betriebs über die Einhaltung der Schweinehalterhygiene-Verordnung (z. B. doppelte Zäunung mit Untergrabungsschutz in von Afrikanischer Schweinepest betroffenen Zonen) bis hin zur Genehmigung durch das Bauamt - der administrative Aufwand ist enorm. Victoria kritisiert dabei die Diskrepanz zwischen den strengen Auflagen für kleine Höfe und den Kontrollen in der Massentierhaltung, die oft nur alle paar Jahre stattfinden.
Einsatz im Kriegsgebiet: Tierschutz unter Lebensgefahr
Kurz nach Beginn des Krieges in der Ukraine gründete Victoria mit Gleichgesinnten einen Verein. Was mit Hilfsgüter-Transporten an die Grenze begann, entwickelte sich schnell zu direkten Rettungsmissionen an der Front. Sie und ihr Team evakuierten Tiere - von Hunden und Katzen bis hin zu Greifvögeln - aus umkämpften Städten, in denen kaum noch Menschen lebten.
Victoria schildert eindrücklich die ständige Lebensgefahr dieser Einsätze. Sie berichtet von Momenten, in denen Raketen in unmittelbarer Nähe einschlugen, und von der psychischen Belastung, die solche Erlebnisse mit sich bringen. Geräusche wie Sirenen oder Jägerschüsse lösen bei ihr bis heute Flashbacks aus. Auf die Frage, warum sie dieses Risiko einging, antwortet sie klar: „Sonst macht es halt auch keiner.“ Für die Tiere, die im Kriegslärm zurückgelassen werden, ohne zu verstehen, was geschieht, sind diese Einsätze die einzige Überlebenschance. Oft geht es auch darum, geliebte Haustiere mit ihren geflüchteten Familien wieder zu vereinen - ein Akt von unschätzbarem emotionalem Wert für Menschen, die alles verloren haben.
Eine neue Perspektive auf Tierwohl
Ihre Erfahrungen im Auslandstierschutz und auf dem eigenen Hof haben Victorias Sicht auf Tierschutz geschärft. Ihr wichtigstes Learning: Jedes Tier ist ein Individuum. Sie beobachtet, dass nicht jedes Schwein gerne in der Suhle liegt und nicht jede Ente den ganzen Tag im Teich schwimmt. Diese Erkenntnis widerspricht der standardisierten Behandlung von Tieren in der Industrie, die keine Rücksicht auf individuelle Bedürfnisse nehmen kann.
Gleichzeitig plädiert sie für einen reflektierten Tierschutz. Nicht jedes Tier möchte gerettet werden. Besonders bei Straßenhunden sei es oft besser, die Strukturen vor Ort zu unterstützen, anstatt jedes Tier nach Deutschland zu vermitteln, wo es in einer für ihn ungeeigneten Umgebung unglücklich werden könnte. Es braucht, so Victoria, eine gesunde Balance aus Herz und Verstand, um wirklich im Sinne der Tiere zu handeln.