Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode von The Petfood Family spricht Moderator Jan Dießner mit André Vogt, bekannt als Deutschlands "Welpentrainer". Das Gespräch bietet einen tiefen und ehrlichen Einblick in Andrés Werdegang, seine Trainingsphilosophie und seine oft kontroversen, aber klar begründeten Ansichten zu aktuellen Themen der Hundeszene. Im Fokus stehen die Wichtigkeit von Beziehung statt reiner Konditionierung, die Herausforderungen durch gesellschaftliche Veränderungen und die Notwendigkeit, als Trainer und Hundehalter eine klare Haltung zu beziehen - auch gegen den Mainstream. Die Episode richtet sich an alle Hundehalter und -trainer, die eine fundierte und ungeschönte Perspektive auf moderne Hundehaltung suchen.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Beziehung vor Kommando: André Vogt betont, dass eine stabile Beziehung und klare Kommunikation über Körpersprache die Basis für erfolgreiches Hundetraining sind - wichtiger als perfekt konditionierte Signale.
- Der Mittelweg im Training: Er positioniert sich zwischen den Extremen der "alten Schule" (Hardliner) und der oft als antiautoritär empfundenen modernen Trainingsansätze (Softliner).
- Ruhe ist entscheidend: Eines der größten Probleme bei Welpen heute ist laut André die Überforderung durch ständige Beschäftigung. Er plädiert dafür, Hunden gezielt Ruhe und Entspannung beizubringen, anstatt sie permanent auszulasten.
- Kritik an der Hundetrainer-Szene: André beschreibt die Szene als "Haifischbecken", in dem Neid und das Schlechtmachen von Kollegen verbreitet sind. Er selbst konzentriert sich ausschließlich auf seine eigene Arbeit und Entwicklung.
- Tierschutz mit Augenmaß: Obwohl er selbst einen Hund aus dem Tierschutz hat, warnt André davor, die Adoption eines solchen Hundes zu idealisieren. Er kritisiert das System des Auslandstierschutzes als "Fass ohne Boden" und fordert nachhaltigere Lösungen wie Kastrationsprojekte vor Ort.
- Vertraue deinem Bauchgefühl: Viele Hundebesitzer fühlen sich unwohl mit den Methoden mancher Trainer, folgen ihnen aber aus Unsicherheit. André ermutigt dazu, dem eigenen Gefühl zu vertrauen.
- Innovation aus der Praxis: Seine eigenen Produkte, wie eine spezielle Trainingsleine oder ein Pfeifen-Armband, entwickelte er nicht primär aus kommerziellen Gründen, sondern um konkrete Probleme im Trainingsalltag zu lösen.
Vom Steueramt zum Welpentrainer: Ein unkonventioneller Werdegang
André beschreibt seinen Weg in die Hundewelt als eine mutige Entscheidung gegen die Sicherheit. Er verließ seinen Job im öffentlichen Dienst im Steueramt – ein Schritt, der in seinem Umfeld, besonders bei seinem Vater, auf großes Unverständnis stieß. Der Übergang erfolgte schrittweise: Zunächst reduzierte er seine Arbeitszeit, um parallel seine Hundeschule aufzubauen. Zu Beginn seiner Karriere, noch vor der Einführung des §11-Scheins, arbeitete er hauptsächlich mit Problemhunden. Er bezeichnet seine damalige Herangehensweise humorvoll als "sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit". Rückblickend sieht er diese Phase jedoch als wertvoll an, da er unbeeinflusst von der etablierten Hundetrainer-Szene seinen eigenen Stil entwickeln konnte. Diese Unabhängigkeit von starren Ausbildungsmethoden prägt seine Arbeit bis heute.
Die "André Vogt-Methode": Beziehung und Körpersprache im Zentrum
Auf die Frage nach seiner spezifischen Methode erklärt André, dass er sich in der Mitte zwischen den traditionellen "Hardlinern" und den modernen "Softlinern" verortet. Der Kern seiner Philosophie ist die Kommunikation über Körpersprache und der Aufbau einer tiefen Beziehung. Er kritisiert, dass viele Hundetrainer-Ausbildungen sich zu stark auf Lerntheorie und Konditionierung konzentrieren, während das Thema Beziehung oft zu kurz kommt. Für ihn ist es entscheidend, dass der Mensch lernt, seinen Hund zu lesen und als verlässlicher Sozialpartner zu agieren. Ein Hund, der eine starke Bindung zu seinem Menschen hat, folgt dessen Entscheidungen aus Vertrauen und nicht, weil er eine Futterbelohnung erwartet oder Angst vor Strafe hat. Verantwortung zu übernehmen sei der Schlüssel, damit der Hund sich sicher fühlt und nicht in eine Rolle gedrängt wird, die ihn überfordert.
Umgang mit Öffentlichkeit und Kritik in der Hundetrainer-Szene
André teilt seine Erfahrungen mit dem Sprung in die Öffentlichkeit durch seine TV-Sendung. Nach der Ausstrahlung der ersten Folge war er mit extrem negativen Kommentaren konfrontiert, die sich später als Beiträge von neidischen Trainerkollegen herausstellten. Diese Erfahrung prägte seine Haltung: Er beschreibt die Szene als "Haifischbecken", in dem es üblich sei, andere schlechtzumachen, um sich selbst zu profilieren. Er hält dies für ein Zeichen von Schwäche und weigert sich, an solchen Diskussionen teilzunehmen. Stattdessen investiert er seine Energie in die Weiterentwicklung seiner eigenen Konzepte und die Arbeit mit seinen Kunden. Er betont, dass es in der heutigen Gesellschaft an Menschen fehle, die den Mut haben, eine klare Meinung zu vertreten und dazu zu stehen, auch wenn sie dafür Gegenwind bekommen.
Moderne Herausforderungen: Überforderte Hunde und Halter
Als häufigstes Problem bei Welpen nennt André das Beißen, was viele Neuhundebesitzer überrascht und verunsichert. Ein noch größeres, gesellschaftliches Phänomen sei jedoch die Tendenz zur Überforderung der Hunde. Besonders bei als anspruchsvoll geltenden Rassen wie dem Border Collie herrsche der Glaube, man müsse den Hund permanent auslasten. Das Gegenteil sei jedoch der Fall: Viele Hunde, insbesondere Welpen, seien überdreht, weil sie nicht gelernt haben, zur Ruhe zu kommen. André erklärt, dass ein Welpe ein hohes Schlafbedürfnis hat und man ihm aktiv helfen muss, dieses zu erfüllen. Er empfiehlt hierfür beispielsweise ein "Welpenzimmer", in dem der Hund vor sich selbst und ständigen Reizen geschützt wird, aber dennoch am Familienleben teilhaben kann. So lernt der Hund, zu entspannen, was für seine Entwicklung und ein ausgeglichenes Verhalten essenziell ist.
Tierschutz mit Augenmaß: Eine kritische Auseinandersetzung mit "Adopt Don't Shop"
André, dessen eigener Hund Rambo ein Malinois aus dem spanischen Tierschutz ist, äußert sich differenziert zum Trend "Adopt Don't Shop". Er warnt davor, dass viele Menschen mit Hunden aus dem Auslandstierschutz überfordert sind, da diese oft eine Vorgeschichte mitbringen, die Geduld und Expertise erfordert. Für Ersthundebesitzer sei ein gut sozialisierter Welpe von einem seriösen Züchter oft die einfachere und sicherere Wahl. Das aktuelle System des Imports von Hunden bezeichnet er als "Fass ohne Boden", da es die Probleme in den Herkunftsländern nicht löst. Er kritisiert, dass deutsche Tierheime mittlerweile überfüllt mit Hunden aus dem Ausland sind, während nachhaltige Lösungsansätze wie Kastrationsprojekte und politische Arbeit vor Ort zu kurz kommen. Er plädiert für einen "intelligenten Tierschutz", der die Ursachen bekämpft, anstatt nur Symptome zu verwalten.
Praktische Schritte für Hundehalter
- Fokus auf die Beziehung: Investiere Zeit in das Verständnis der Körpersprache deines Hundes und in gemeinsame, ruhige Aktivitäten, um eine vertrauensvolle Bindung aufzubauen.
- Ruhe aktiv fördern: Sorge dafür, dass dein Welpe ausreichend Schlaf bekommt (ca. 18 - 20 Stunden pro Tag). Richte ihm einen geschützten Rückzugsort ein, an dem er nicht gestört wird.
- Dem eigenen Gefühl vertrauen: Wenn dir eine Trainingsmethode oder ein Trainer ein schlechtes Bauchgefühl bereitet, habe den Mut, dies zu hinterfragen und dir eine Alternative zu suchen.
- Realistische Selbsteinschätzung: Bevor du einen Hund aus dem Tierschutz adoptierst, analysiere ehrlich deine eigene Erfahrung, deine Lebensumstände und ob du den potenziellen Herausforderungen gewachsen bist.
- Training alltagstauglich gestalten: Nutze Hilfsmittel, die dir Sicherheit geben und die Umsetzung im Alltag erleichtern. Ein schnell greifbares Signal wie eine Pfeife kann beim Rückruftraining den entscheidenden Unterschied machen.