Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Folge von The Petfood Family trifft Moderator Jan Dießner erneut auf Vanessa Bokr von der Hellhound Foundation. Ein Jahr nach ihrem ersten Gespräch beleuchten sie die unverändert drängenden Probleme im Tierschutz. Vanessa gibt einen tiefen und ungeschminkten Einblick in ihre Arbeit mit Hunden, die als „hoffnungslose Fälle“ gelten, und erklärt, warum ihr Ansatz so schwer zu kopieren ist.
Die Episode ist eine kritische Bestandsaufnahme, die sich an alle richtet, die hinter die Kulissen des Tierschutzes blicken wollen. Sie behandelt die Kernfrage, warum das aktuelle System versagt und welche radikale Ehrlichkeit und persönliche Stärke es braucht, um Hunden mit schweren Verhaltensproblemen wirklich eine zweite Chance zu geben.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Keine Methode, sondern Persönlichkeit: Die Arbeit der Hellhound Foundation folgt keinem starren Trainingsplan. Stattdessen basiert sie auf Intuition, sachlicher Beobachtung und einer individuellen Beziehungsarbeit, die sich von Moment zu Moment an den jeweiligen Hund anpasst.
- Unsicherheit des Menschen als Tierquälerei: Vanessa bezeichnet es als eine Form von Missbrauch, wenn unsichere und ängstliche Menschen Hunden keine klare Führung geben können. Die Tiere werden dadurch in eine Rolle gedrängt, die sie überfordert und zu aggressivem Verhalten führen kann.
- Radikale Ehrlichkeit als Werkzeug: Direkte und manchmal auch harte Konfrontation ist laut Vanessa oft der einzige Weg, um festgefahrene Verhaltensmuster bei Hunden und Haltern zu durchbrechen. Beschönigungen helfen weder Mensch noch Tier.
- Das deutsche Tierschutzsystem ist gescheitert: Vanessa kritisiert scharf, dass der Tierschutz in Deutschland nur auf dem Papier gut aussieht. In der Realität führen überfüllte Tierheime, mangelnde Kontrolle und fehlende Sachkunde bei Haltern zu Leid und oft zur Euthanasie von Hunden.
- Selbstschutz ist im Tierschutz überlebenswichtig: Um nicht auszubrennen, ist es entscheidend, klare Grenzen zwischen der anspruchsvollen Arbeit und dem Privatleben zu ziehen. Sich selbst zu regenerieren, ist kein Egoismus, sondern eine Notwendigkeit.
- Zukunftspläne brauchen Unterstützung: Die Hellhound Foundation baut ein neues Gelände auf, kämpft dabei aber mit bürokratischen Hürden. Für den Bau sicherer Zäune und die Weiterführung ihrer Arbeit sind sie dringend auf Spenden angewiesen.
- Aggression als erlernte Strategie: Viele „Problemhunde“ sind nicht von Grund auf böse. Ihre Aggression ist eine Strategie, die aus Überforderung, Frust oder Hilflosigkeit entstanden ist. Die Aufgabe ist es, ihnen zu zeigen, dass dieses Verhalten nicht zum Erfolg führt.
Der „Hellhound-Ansatz“: Warum es keine Methode gibt
Auf die Frage, warum ihr Konzept nicht öfter kopiert wird, antwortet Vanessa klar: Es gibt keine Methode zum Kopieren. Die Arbeit bei der Hellhound Foundation sei kein klassisches Hundetraining mit Kommandos und Konditionierung. Stattdessen gehe es darum, die grundlegende Einstellung eines Hundes zum Menschen zu verändern. Viele der aufgenommenen Hunde haben gelernt, ihre Probleme mit Gewalt zu lösen. „Du versuchst alles mit Gewalt zu regeln und das geht so nicht“, erklärt Vanessa die Botschaft, die sie den Tieren vermittelt.
Dieser Prozess erfordere ein hohes Maß an Einfühlungs- und Abstraktionsvermögen. Es gehe darum, den Hund individuell zu betrachten und im Moment zu agieren, anstatt einer festen Struktur zu folgen. Eine solche Struktur würde den Hunden nur ermöglichen, sich darin hochzuschaukeln. Die Mitarbeiter leben quasi auf derselben Basis wie die Hunde – im Hier und Jetzt, ohne den mentalen Ballast von Alltags-Smalltalk oder belanglosen Problemen. Diese Lebensweise, so Vanessa, mache die Welt unkompliziert und klar, färbe aber auch auf die eigene Persönlichkeit ab.
Die Konfrontation mit der Realität: Ehrlichkeit als Werkzeug
Ein zentraler Aspekt von Vanessas Arbeit ist ihre schonungslose Ehrlichkeit - sowohl gegenüber den Hunden als auch deren Besitzern. Sie berichtet von einem Fall, bei dem die Halter eines jungen Labradors, der mehrfach gebissen hatte, völlig verzweifelt waren. Vanessa konfrontierte sie direkt mit der Ursache des Problems: „Du hast keine Körperhaltung, du hast kein Selbstwertgefühl und du bist jemand, der unsicher und ängstlich durch die Gegend läuft und dem Tier keine Führung geben kann. Und das ist Missbrauch.“
Sie argumentiert, dass viele Hundetrainer, die von ihren Kunden leben müssen, sich nicht trauen, solche Wahrheiten auszusprechen. Doch genau diese direkte Konfrontation sei notwendig, um einen Wandel anzustoßen. Für die Hunde bedeutet die Ankunft bei den Hellhounds oft einen „Kulturschock“. Sie werden aus einer Welt, in der ihr problematisches Verhalten toleriert oder missverstanden wurde, in eine Umgebung versetzt, in der klare Regeln und authentische Kommunikation gelten. Dieser harte Aufprall in der Realität ist der erste Schritt zur Besserung.
Der Umgang mit Aggression: Analyse statt Emotion
Vanessa betont, dass sie keine Angst vor den Hunden hat, auch wenn sie einigen mit großem Respekt begegnet. Angst wäre bei dieser Arbeit hinderlich. Wenn ein Hund angreift, reagiert sie nicht emotional, sondern analytisch. Sie beobachtet genau, um die Motivation hinter dem Angriff zu verstehen: Handelt es sich um Frust, Hilflosigkeit, eine erlernte Strategie oder eine Traumareaktion? Ihre Reaktion passt sie dann der Ursache an.
Einem Hund, der aus Frust angreift, zeigt sie, dass seine Strategie ins Leere läuft. Einen überforderten und hilflosen Hund korrigiert sie klar, lädt ihn danach aber sofort wieder ein, um ihm Sicherheit zu geben. Sie schildert eindrücklich einen Vorfall mit ihrem eigenen Ridgeback, der ihr aus einer traumatischen Vorerfahrung heraus den Arm brach. Selbst in diesem Moment blieb sie analytisch und handelte, ohne dem Hund böse zu sein. Für sie sind diese Konflikte keine Katastrophen, sondern wertvolle Gelegenheiten, um das Verhalten des Hundes zu verstehen und ihm einen neuen Weg zu zeigen.
Systemkritik: Das Versagen des deutschen Tierschutzes
Im Gespräch übt Vanessa scharfe Kritik am deutschen Tierschutzsystem, das sie als eine Farce bezeichnet. Deutschland rühme sich damit, Tiere zu retten, doch die Realität sehe anders aus. Viele aus dem Ausland geholte Hunde landen in überfüllten deutschen Tierheimen oder auf ungeeigneten Pflegestellen, wo ihre Probleme oft schlimmer werden. „Wohin habt ihr die gerettet? In die Hölle, ihr Idioten“, formuliert sie provokant.
Es fehle an einem funktionierenden System, an Zusammenhalt und an effektiven Kontrollen. Vorschriften wie der Hundeführerschein seien oft zahnlos, weil sie so gestaltet sind, dass jeder sie bestehen kann. Das eigentliche Problem sei eine Gesellschaft, in der sich viele Menschen ohne die nötige Sachkunde einen Hund anschaffen. Diese Halter sind nicht in der Lage, die Bedürfnisse ihrer Tiere zu erkennen und ihnen Führung zu geben, was letztlich zu gefährlichen Situationen und dem Scheitern der Hunde führt. Die Hellhound Foundation sieht sich als „hässlicher, eingewachsener Fußnagel“, der permanent auf diese Missstände aufmerksam macht.
Zukunftspläne und Herausforderungen: Das neue Gelände
Die Hellhound Foundation treibt den Ausbau ihres neuen Geländes voran. Die Baugenehmigung für ein „Hundedorf“ mit Hütten und großzügigen Zwingern liegt vor. Aktuell wird das Gelände winterfest gemacht, damit im Frühjahr mit dem eigentlichen Bau begonnen werden kann. Doch der Weg ist steinig. Bürokratische Auflagen des Finanzamts zwingen die Organisation zur Aufspaltung: Die gemeinnützige Arbeit mit den Hunden läuft unter „Hellhounds“, während Schulungen und Trainings zukünftig über ein Gewerbe mit dem Namen „Giftköter“ angeboten werden.
Zudem gibt es vor Ort Widerstand gegen das Projekt. Vanessa bleibt jedoch entschlossen, den Hunden diesen neuen Ort zu schaffen. Ein zentrales und kostspieliges Element sind die Zäune, die höchsten Sicherheitsanforderungen genügen müssen. Der Bau und die Ausstattung des neuen Geländes sind daher stark von finanzieller Unterstützung abhängig.
Praktische Unterstützung für die Hellhound Foundation
Die Arbeit von Vanessa und ihrem Team ist auf Hilfe von außen angewiesen. Wenn du sie unterstützen möchtest, gibt es mehrere konkrete Möglichkeiten:
- Geld spenden: Finanzielle Beiträge sind aktuell am wichtigsten, insbesondere für den Bau der teuren Sicherheitszäune auf dem neuen Gelände. Spenden sind per Banküberweisung (die IBAN findest du auf der Webseite der Hellhound Foundation), über PayPal oder über die Plattform „Teaming“ möglich, bei der du mit nur einem Euro pro Monat einen wertvollen Beitrag leisten kannst.
- Reichweite schaffen: Teile die Beiträge und Informationen der Hellhound Foundation auf Social Media. Vanessa betont, wie wichtig es ist, die Botschaft auch außerhalb der „Hundebubble“ zu verbreiten. So können Menschen erreicht werden, die vielleicht finanziell unterstützen können, aber bisher nichts von der Organisation wussten.
- Sachspenden nutzen: Über eine Amazon-Wunschliste kannst du gezielt Dinge spenden, die im Alltag dringend benötigt werden, wie zum Beispiel Reinigungs- und Waschmittel.
- Bewusstsein fördern: Reflektiere deine eigene Hundehaltung kritisch. Ehrlichkeit sich selbst gegenüber und die Bereitschaft, an den wahren Ursachen von Problemen zu arbeiten, sind der Schlüssel zu einem gesunden Miteinander von Mensch und Hund.